Südafrika

Hamburg, den 31.5.66

Ich bin wieder glücklich. Nach über sechs Stunden Suchen, habe ich jetzt eine gute Kamera. Das musste jetzt zuerst heraus.

Bis jetzt habe ich den Eindruck, dass dieses Schiff nicht schlechter ist als das erste, eher besser. Aber eine Einzelkammer hält auch dieses Schiff nicht für mich bereit.

Nun das Bezeichnendste: Der Dampfer hat 10 Tausend BRT. Die Maschine hat 9 800 PS, zum Vergleich, die Perseus hatte 5 200 PS, also ist es ein ganz niedlicher Dampfer. Unsere einzige noch freie Wand ziert eine Weltkarte und keine Damengalerie. Das letzte Schiff muss der vorletzte Dampfer gewesen sein. Aber, gelobt sei was hart macht. Nun die voraussichtliche Reise: Am 3. Juni sollen wir aus Hamburg rausfahren, dann kommt Bremen, Amsterdam oder Rotterdam und Antwerpen, davon bin ich nicht begeistert, aber das macht nichts. In Las Palmas auf den Kanarischen Inseln soll Treibstoff gebunkert, das heißt getankt werden. Eventuell kann ich dann an Land. In Curҫao, wo wir das letzte Mal gebunkert hatten, konnte ich es ja nicht. Dann geht es nach Kapstadt, Port Elizabeth, Durban, Laurenҫo Marques, Beira und den gleichen Weg zurück, ausgenommen Las Palmas. Es ist nur so, dass ich kaum zum 1. September zurück sein werde, das habe ich erst jetzt erfahren. Was die Technische Hochschule dazu meint, weiß ich noch nicht. Wenn es aber nicht klappt, dann werde ich noch etwas Seefahren. Ich hatte auch ein Angebot nach Asien, aber da hätte ich mich für ein Jahr verpflichten müssen, das ging aber wegen der TH nicht.

Wie ging es in Hamburg weiter?

Ich ging wieder auf das Arbeitsamt und suchte nach einem vielleicht besseren Schiff als die Tugelaland bei der ich schon angefragt hatte. Doch mir erschien die Tugelaland doch als das beste. Ich ging nun auf die Reederei. Die Tugelaland war besetzt, weil ich so spät gekommen bin. Sie setzten mich auf ein anderes Schiff der Reederei. Sein Name ist Krugerland. Bis vor kurzem war es ihr Flagschiff. Nun kann ich von Glücksagen, dass ich nicht auf den Neubau Tugelaland kam. Der Neubau kommt viel später zurück, weil er vorher noch Probefahrt macht. Auch kennt sich auf dem Schiff noch niemand aus. Unter Umständen könnte also sehr viel los sein. Ich hatte Glück. Bis jetzt ist alles wunderbar. Es wird mehr Arbeit geben, aber bekanntlich adelt ja Arbeit. Gestern war ich im Hamburger „Killesberg“ und traf dort einen Seemann, der im Giebel aufgewachsen ist. Dort habe ich dann noch etwas gefilmt und jetzt ließ mich die Kamera trotz nagelneuer Batterien wieder im Stich.

Une petit comédie, eine kleine Komödie:

Heute morgen um halb zehn startete ich, um die Batterien von der Filmkamera zurückzugeben. Er nahm sie. Die Neuen taten wieder nicht. Nun schickte er mich in ein Elektrogeschäft, die Batterien von dort halfen auch nicht. So ging ich in einen Fotoladen. Dort wurde mir bewiesen, dass das Problem nicht die Batterien sind, sondern die Kamera. Nun fuhr ich zum Fotomechaniker. Weil er es frühestens in 18 Tagen reparieren konnte schickte er mich zur Konkurrenz. Die Konkurrenz wollte gar nichts wissen und schickte mich zur Werksvertretung in Hamburg. Die konnte es auch nicht machen und telefonierte mit Fotomechaniker Nr. 1, aber da lag nichts drin. Nun wollte ich sie ins Pfandleihhaus tragen und Geld kassieren, aber es war niemand da, der Kameras taxieren konnte. Nun ging ich wieder in das Fotogeschäft und kaufte eine neue Japanische und gab die alte in Zahlung. Den Garantieschein schicke ich nach und sie lassen die Kamera auf Garantie reparieren. Jetzt habe ich eine neue Kamera, die den Daten nach sogar besser sein muss. Allerdings musste ich noch etwas draufzahlen. Die erste Kamera habe ich für 250 DM gekauft und um 200 DM verkauft. Das geht ja noch. Ich hoffe, dass dieses unglückselige Thema nun ein Ende hat.

Vor Rotterdam, den 8.6.66

Jetzt will ich nur ganz kurz schreiben. Ich weiß noch nicht, wann das Schiff in den Hafen manövriert wird. Ich weiß noch nicht, wann ich Hafenwache gehen muss. Deshalb will ich noch etwas filzen. Von gestern nun das Neueste und Bedeutendste in Kürze. Ich wollte beim Funker noch Geld holen, denn auf dem Schiff ist er der Zahlmeister. Leider fand ich ihn nicht und so ging ich mit ein paar Mark nach Bremen in die City. Dort habe ich nach Post gefragt. Dann wollte ich langsam zurück zum Schiff, um Geld zu fassen. Auf diesem Weg lag das Übersee-Museum. In Stuttgart kostet die Besichtigung eines Museums nichts und so trat ich ein, aber in Bremen kostet es etwas. Es war mir egal, denn ich wollte die Zeit nützen. Es hat sich gelohnt. Ursprünglich wollte ich den Rückweg gehen, aber von der Museumsbesichtigung war ich so müde, dass ich nicht mehr zu Fuß gehen wollte. Als ich aber aus dem Museum heraus kam, hatte ich kein Geld mehr, um mit der Bahn zurückzufahren, aber ich hatte noch sechs Zigaretten. Ich verkaufte sie und fuhr mit diesem Geld zurück zum Schiff. Ich bin schon wieder ein richtiger Seemann, alles verkaufen, bis wieder genügend Geld verfügbar ist. J

Dass wir vier lebende Kühe als Fracht an Bord haben, die mit nach Walvis Bai in Südwestafrika fahren, habe ich noch nicht erzählt. Das erscheint mir momentan die größte Kuriosität. Der Bootsmann füttert sie, mistet sie aus und sie werden auch von ihm gestriegelt.

Auf diesem Schiff ist eine Abgasturbine. Vom ersten Schiff weiß ich über Abgasturbinen überhaupt nichts. Ich schwimme nur so. Das wird sich ändern, ich hoffe es wenigstens. Im Moment macht mir das noch etwas Kummer.

Das war der gestrige Tag und der heutige bis 15 Uhr.

Nun will ich schlafen, vielleicht schreibe ich später noch weiter.

Auf See, den 13.6.66

Bis jetzt waren wir immer in Häfen, in ihnen geht immer alles drunter und drüber und dann hatten wir viel Manöver, so dass wir ständig in der Maschine waren. Manchmal blieben nur 8 Stunden für Freizeit, die wurden dann zum Schlafen verwendet. In Rotterdam und Antwerpen war ich dieses Mal nicht an Land. Ich habe auf Vorrat für die kommenden Manöver geschlafen. Als ich mit dem Bananendampfer dort war, war ich von diesen Städten ohnehin nicht begeistert.

Wenn ich in den Häfen an Land gehe, werde ich mit dem Geld nicht geizen, aber mit vollen Händen werfe ich es nicht hinaus. Schließlich werde ich nicht mehr dort hinkommen. Also will ich so viel als irgend wie möglich sehen.

Heute habe ich mich zum Schreiben aufgerafft. Der Dienst hier ist ziemlich anstrengend. Meistens tut mir das Kreuz weh. Eigentlich wollte ich noch vom Übersee-Museum in Bremen schreiben. Ich will es kurz machen. Im Übersee-Museum war eine Nachbildung der Grabkammer der Pyramide und vor allem ein japanisches Teehaus mit Garten. Ich war überrascht und glücklich es zu sehen, da ich ja nicht nach Japan komme, was ich eigentlich ja wollte. Auch ein chinesisches Haus war im Original aufgebaut. Natürlich war viel mehr von „Wilden“ aus aller Welt, wie Indianer, oder aus Afrika, den Südseeinseln usw. zu sehen. Ich kann das in Kürze gar nicht alles aufzählen. Ähnliche Gefäße, wie mein Räuchergefäß aus Südamerika, habe ich gesehen, aber an die Exotik von meinem kam keines heran.

Auf See, den 15.6.66

Ich dachte, wir seien am 14. in Las Palmas, jetzt werden wir erst morgen früh dort sein. Der ganze Aufenthalt dauert nur eine Stunde, außerdem wird er in meine Wache fallen. Also kann es in Las Palmas keinen Landgang geben. Dann kommen neun Tage Seetrip.

Ich hoffe, dass ich mit dem Film manches von Afrika zeigen kann. Wenn der Film von der Entwicklung zurückkommt, werde ich mit dem Filmschnitt eine Menge Arbeit haben. Im Moment bin ich gedanklich oft mit dem Film beschäftigt. Ich hätte auch ein paar Ideen, aber in der Kammer ist es einfach zu dunkel um darin zu filmen. Ich weiß auch nicht wem ich die Kamera anvertrauen kann, damit er mich filmt.

Auf See, den 22.6.66

Es ist jetzt 0 Uhr 30 und ich habe gestern Abend vor der Wache etwas geschlafen, da ich dementsprechend müde war. Jetzt kann ich mir den Luxus leisten nicht gleich in die Koje zu gehen.

Nun will ich schreiben wie es mir geht. Prächtig! Auf diesem Schiff ist gegenüber dem früheren alles Gold. Die Perseus ist gegenüber der Krugerland ein Piratenschiff, aber gegenüber den Panamesen, Liberianern usw. ist die Perseus wieder Gold.

Ich komme mit meinem Ing. gut klar. Er sagt mir sogar, dass ich dies und das und jenes nicht so genau nehmen müsste. Wenn er, damit sein Prestige nicht leidet, sich nicht ein kleines bisschen distanzieren würde, dann wäre es das reinste Teamwork. Da ist der Dienst nicht ein notwendiges Übel. Ich hätte nie gedacht, dass es auch solche Schiffe gibt.

Im Gegensatz zu den Offizieren, komme ich mit der Mannschaft nicht in Berührung. Ingenieure sind ebenfalls Offiziere. Die Mannschaft besteht größtenteils aus Schlägertypen.

Zum Film habe ich wieder ein paar gute Einfälle. Das Handhaben der Kamera ist übrigens nicht schwierig. Das „Was“ ist eher schwierig.

Bei uns ist es jetzt recht warm. In der Maschine hatten wir schon 39oC, an einigen Stellen hat es natürlich ein paar Grad mehr. Heute Mittag wollte ich mich einmal sonnen, aber ich wurde in ein technisches Gespräch verwickelt, so dass aus dem Sonnen nichts wurde. Ich darf auch nicht lange in der Sonne sein, sonst bekomme ich einen Sonnenstich. Wahrscheinlich sind wir bald am Äquator, wenn wir nicht gar schon vorüber sind. Die Sauferei, Äquatorfeier genannt, war schon. Ich habe nichts davon gespürt, ich fuhr ja schon einmal über den Äquator. Ein Matrose, der zusammengeschlagen wurde kam in die Maschine, so dass wir merkten, dass die Feier in vollem Gange ist.

In Afrika kann ich vielleicht in den Krüger-National-Park gehen. Das wäre klasse. Ob ich in den Tierpark komme hängt vor allem von meinen Kameraden ab.

Etwa 16 Stunden vor Walvis Bai, den 25.6.66.

Es ist jetzt 1 Uhr 30. Ich habe gestern Abend etwas Schlaf nachgeholt. Von 17 bis 19 Uhr 30 und jetzt bin ich wieder von der Wache zurück. Die Uhr wurde heute wieder eine Stunde vorgestellt, deshalb ist es schon so spät.

Heute Nachmittag konnte ich endlich fliegende Fische auf den Film bannen.

Eine halbe Minute Filmdauer ist das Ergebnis einiger Stunden gespannten Wartens. Da die fliegenden Fische so weit weg waren, werden sie trotz Teleobjektiv im Bildausschnitt recht klein sein. Vielleicht bekomme ich einmal einen noch näher vor die Kamera. Vorgestern segelte einer in fünf Meter Entfernung vorbei. Er war in seinem schwerelosen Flug herrlich anzusehen. Er hatte leicht rote Flügel und segelte wie eine Schwalbe. Erst als ich den Fischschwanz sah, war ich mir sicher, dass es kein Vogel, sondern ein Fisch war.

Dass ich mit meinem Ing. so gut zurecht komme habe ich schon geschrieben. Abends gegen 10 Uhr macht er die Bewegung des Trinkens. Das heißt für mich dann Tassen, Teekanne und Zucker holen. In der Zwischenzeit macht er Wasser heiß und dann gibt es Tee, keinen Schwarztee, irgend eine brasilianische Mischung. Dann trinken wir zusammen Tee. Der Tee gehört nicht dem Schiff, sondern ihm persönlich. Heute konnte ich mich revanchieren indem ich zwei Stücke Kuchen in die Maschine herunterbrachte. Er hat die Augen verdreht und wurde auf einmal sehr gesprächig. Schnell war es zwanzig vor elf Uhr und so wurde der Separator abgeschossen. Mit dem Separator abschießen wird der Schmutz des Schmieröls vom Öl getrennt, separiert. Der Ablauf der Zeit zwang mich wieder in den Rhythmus des Zeitplanes und unterbrach die eben begonnene Tauperiode.

Zur Zeit plane ich meinen Landgang, was ich sehen will und wie ich es filmen könnte. Ich überlege immer noch, wie ich zu den „Wilden“ in den Busch komme. Vielleicht bekomme ich noch eine Idee. Mit dem Funker, irgendwie zieht es mich zu den Funkern, wollte ich in den Krüger-National-Park, aber anscheinend ist er gar nicht so gut wie die anderen Tierreservate. So werde ich in ein anderes Tierreservat gehen. Vielleicht kommen wir dann auch durch ein Eingeborenenreservat. Hoffentlich sind meine Träume keine Schäume. Von Durban verspreche ich mir manches. Mal sehen was daraus wird.

Es wird immer wieder vom Kapwein gesprochen. Niemand kann etwas richtiges dazu sagen. Wie schon einmal erwähnt, verstehen die Norddeutschen nicht viel von Wein.

Sonst gibt es eigentlich nichts Neues, vielleicht weil ich mich schon an alles gewöhnt habe.

Ich glaube, ich habe noch nicht erzählt, dass wir einen Chinesen haben, der als Wäscher fährt. Da fällt das Selbstwaschen flach.

Langsam wird es kalt, die Luft hatte heute Nacht nur 17oC, gegenüber vor ein paar Tagen 31oC. Wir nähern uns dem Südpol. Walvis Bai liegt etwa auf dem 23. Breitegrad südlich des Äquators. Der Südpol liegt bekanntlich auf dem 90. Breitegrad südlich des Äquators.

Auf See, den 28.6.66

In Walvis Bai gab es nichts zu sehen, und doch hatte ich zwölf Stunden, die ich voll ausgenützt habe, ja, ich hätte noch mehr Zeit brauchen können. Wenn ich noch dazu komme, erzähle ich von Walvis Bai, ich war nämlich in der Wüste. Ich freue mich auf Kapstadt, Durban muss einen Teil von Tausend und einer Nacht bewahren und das Wildreservat, die erlebnisreichste Zeit steht noch bevor. Morgen sind wir in Kapstadt. Dann geht es wieder rund. In Walvis Bai habe ich für zwei Nächte etwa zehn Stunden geschlafen. Von unserem Spaziergang in die Wüste erzähle ich vielleicht nach Kapstadt, aber dann kommen schon wieder die Eindrücke von Kapstadt und den anderen Hafenstädten, mal sehen.

Port Elizabeth, den 4.7.66

Mir geht es, von ein paar Lappalien, die es immer einmal geben kann, abgesehen, immer noch gut.

In Kapstadt war es sehr neblig, so dass ich den Tafelberg nicht sehen konnte. Hier ist ja jetzt Winter und entsprechend regnerisch und früh dunkel. In Kapstadt war ich fast nur im Malaienviertel und trotz des Regens war es herrlich. Obwohl es für Andersgläubige streng verboten ist, habe ich in eine Moschee hineingesehen. Zum Glück hat mich niemand erwischt. Anders als bei den christlichen Kirchen gibt es in einer Moschee eigentlich nichts zu sehen. Von hieraus war ich gestern zusammen mit dem Funkoffizier in einem Taxi in ein Wildreservat gefahren. Wir haben eine Menge Elefanten gesehen. Mit ihren Jungen, Strauße, Antilopen, Affen, Nashörner, Perlhühner und andere schöne Vögel. Es ist nicht immer leicht, diese Biester zu filmen. Gestern war ich in einem Riesenaquarium mit dressierten Delphinen und einem Schlangenpark. In dem Schlangenpark hatte es sehr schöne Schlangen und andere fast urweltliche Reptilien.

Hier herrscht Rassentrennung, in Laurenço Marques und in Beira, die wir anlaufen werden, nicht. Über die Rassentrennung setze ich mich hinweg. Das ist ja gesponnen, Farbige sind doch keine Menschen zweiter Klasse.

In das Tierreservat sind wir mit einem Moslem und seiner Frau gefahren. Wir unterhielten uns sehr nett. Wir versuchten noch über ihn in eine Moschee zu kommen, aber er ging nicht darauf ein.

Durban, den 6.7.66

Nun will ich versuchen ein wenig von meiner Reise zu schreiben. Am Besten fange ich in Walvis Bay an. Nachdem wir neun Tage lang kein Land gesehen hatten, wurden so langsam wieder Vögel sichtbar. Ich musste nun versuchen, am Flug zu erkennen, ob es ein fliegender Fisch oder ein Vogel war. Schoss das schwarze fliegende Tier in das Wasser und kam nicht gleich wieder zum Vorschein, war es ein Fisch. Da es nun Vögel gab, ging ich öfters raus auf Deck und versuchte Land zu entdecken. In weiter Entfernung musste ein Stück Holz schwimmen, das dann aber immer wieder von den Wellenbergen verdeckt wurde. Aber irgend etwas stimmte nicht, denn manchmal war das Ding weg, obwohl es wieder sichtbar hätte werden sollen. Dann sagte jemand es seien Seehunde, aber so schnell lasse ich mich nicht auf den Arm nehmen. Es wäre tatsächlich möglich gewesen, so runde schwarze Dinger waren es. Nachdem wir nun näher rankamen, sah ich, dass es tatsächlich welche waren. Wenn sie genug gesehen hatten, die Glatze langsam trocken und der Schnauzbart abgetropft war, machten sie alles von neuem nass und zeigten dann ihr gutmütiges Opagesicht wieder. Die Vögel wurden nun auch zu Scharen. Und im Nebel konnte ich am Horizont einen etwas dunklen Streifen ausmachen, das war Land. Als wir näher an Land kamen wurde das Wetter plötzlich besser. In strahlendem Sonnenschein lag ein gelbes, leicht welliges Land vor uns. Dieser gelbe Streifen, der sich nun vom sonnenbeschienenen Weiß des Meeres abhebt, wird durch eine handbreite Stadt unterbrochen. Langsam riecht man auch schon die kleine Stadt. Die Vögel, von denen vorher die Rede war, sind Kormorane und haben den Zweck, Fische zu fressen und was davon wieder in Erscheinung tritt wird als Dünger exportiert. So ist zum Beispiel Chile-Salpeter nichts anderes als Kormoran-Kot. Das riecht man sehr gut. Vor dem Strand ist eigens ein „Tisch“, ungefähr hundert Meter lang, auf dem wird der Dünger der Kormorane gesammelt.

Wir liefen abends ein. Ich habe mich Schlafen gelegt, da ich keine Manöverwache hatte. Als ich geweckt wurde, gingen die ersten Neger auf dem Deck herum. Eigentlich nichts besonderes, bei uns gibt es ja auch Neger, aber eigenartig ist, wenn ich auf sie zukomme, werden sie irgendwie nervös und weichen aus. Die Weisen sind etwas viel besseres und die Neger haben zu kuschen, weil sie ja in ihrem eigenen Kontinent sind.

Durch meinen Kontakt mit dem Funker hatte ich dann am darauffolgenden Sonntagmittag das Glück, mit einem Deutsch-Afrikaner im Lastwagen in die Umgebung zu fahren. Nach ein paar Minuten hatten wir Walvis Bai verlassen und waren mitten in der Wüste. Nur eine Straße zieht sich der Küste entlang, schwarz wie die meisten Straßen. Der Straßenbelag ist jedoch kein Asphalt, sondern verunreinigtes Salz. Das ergibt bei Regen entsprechende Schwierigkeiten. Die Sonne gab sehr viel ihrer guten Wärme her, dass ich das erste Mal etwas Farbe bekam. Der Sand, der links und rechts der Straße liegt und nur zum Meer hin vom Wasser überdeckt wird, wird in der anderen Richtung nur durch die darauffolgende Düne noch unterstrichen. Ab und zu ist die Straße mit Sand zugeweht. Die einzige Abwechslung sind die Schatten der Dünen, mit denen sie sich zudecken. Das sieht sehr schön aus, leider erst abends, wenn die Sonne schon schräg steht. Wir hielten an um Diamanten zu suchen. Tatsächlich sind auch einige Diamantfelder abgesteckt. Außer schönen habe ich keine edlen Steine entdeckt. Obwohl die Wüste ein einziges Gelb scheint, sieht sie von nahem ganz anders aus. Je nach dem glitzert es oder kommt ein roter Stein oder sonst etwas Unerwartetes zum Vorschein. Ganz kleine Pflanzen und Kamillen sind immer wieder irgendwo, für Durstige, die lieber als pures Wasser Kamillentee trinken möchten. Ich habe mir zwei besonders eigenartige fleischblättrige Pflanzen ausgegraben und in eine Konservendose gepflanzt. Aber das Kap der guten Hoffnung ließ die Hoffnung schwinden, dass ich sie heil nach Hause bringe, denn wir hatten Windstärke 8! Nach erfolgloser Diamantsuche und Heuschreckenjagd brauchten wir einen Kaffee. Deshalb ging es nach Swakopmund. Das ist ein etwa 20 km nördlich von Walvis Bai an der Küste gelegener Ort. Er ist vor allem durch sein Flamingoparadies und seine Salzgewinnung aus dem Meer bekannt. Leider habe ich das erst später erfahren. Swakopmund hört sich sehr fremdländisch an, aber abgesehen von den vielen Negern, bist du in Deutschland so etwa anno 1900, allerdings mit den neuesten deutschen Schlagern, aber nicht der heimatlose Freddy, sondern was bei uns in Deutschland eben auch neu und modern ist. Zum Kaffee trinken traten wir aus dem Sand über die Schwelle eines Cafes und setzten uns an den Tisch. Darauf erschien an unserem Tisch eine Negerin und fragte zu meinem Erstaunen in bestem Deutsch: „Was wünschen Sie?“ Ich wünschte Kaffee und Kuchen. Darauf fragte sie: „Apfel oder Pflaumenkuchen?“ In Swakopmund redet man Deutsch. Es ist eine deutschsprachige Enklave. Im Heimatmuseum ist alles deutsch und englisch beschriftet. Im Gästebuch gibt es sehr viele deutsche Einträge. Verrückt in dieser deutschen Sprachinsel ist, dass es kaum Bier gibt, nur zu bestimmten Zeiten und nur in bestimmten Lokalen. Alkohol gibt es nur in Hotels, Restaurants oder Bars. Aber Bar kann der mieseste Schuppen sein. Die Namib-Wüste hinter der Walvish Bay und Swakopmund ist vom Meer ins Landesinnere hundert Kilometer breit. In der Ferne sah ich leicht Berge, wie wenn man von uns aus die schwäbische Alb sieht. Bevor wir umdrehten, waren wir wahrscheinlich schon durch die halbe Wüste gefahren.

Am Montag trieb es mich in das Negerviertel. Schwarze und Weiße leben absolut getrennt. Überall ist „White only“ zu lesen. Wo früher ausgediente Güterwagen standen, ist heute das Negerviertel. Es ist eine vom Staat gebaute Siedlung. Jede Familie hat ihr Haus für sich. So ein Haus ist kleiner als bei uns ein normales Zimmer und ringsherum feiner, heller, knirschender Sand, Sand und nochmals feiner, heller, knirschender Sand. Es ist kein erquickendes Bild.

Heute habe ich es in Durban noch wesentlich schlimmer gesehen. Eigentlich hätte ich nicht allein durch die Slums hindurchgehen sollen, aber ich tue niemanden etwas, also tut auch mir niemand etwas. Ich wurde vom Anfang der Siedlung bis zu ihrem Ende angestarrt. Dass ein Weißer dort ist war unverständlich und ließ nichts Gutes ahnen. So passierte es mir einmal, dass ein zweijähriges schwarzes Kind, aus dessen Gesicht die Augen wie weiße Kugeln strahlten, auf mich zukommen wollte, aber plötzlich von dem ein Jahr älteren Bruder vor dem weißen Ungeheuer zurückgerissen wurde. In der Seele der Schwarzen sind Weiße gefährliche Ungeheuer.

Die ersten beiden Tage in Afrika, von denen ich nun berichtet hatte, waren um und unser Schiff zog weiter nach Kapstadt.

Kapstadt, das sehr schön liegt, war solange wir dort waren in winterlichen Regen und Nebel gehüllt. Von dem beeindruckenden Tafelberg war nichts zu sehen, das heißt, der Fuß war zu sehen, aber der obere Teil war von einem dichten Nebelschleier verhängt. Kapstadt hat viele Reize, vor allem die herrliche Lage. Das meiste ist am Berg gebaut und sieht in die blaue Meeresbucht. Aber für mich gab es nur eines, das Malaienviertel. Ich habe ohne einmal zu sitzen einen vollen Nachmittag dort verbracht. Das Malaienviertel liegt ziemlich steil an einem Hang. Die Häuser schimmern in allen Pastellfarben die es gibt, von wasserblau mit weiß über grün und gelb bis lila. Dazwischen sind immer wieder Moscheen, von deren Minarette der Muezzin zum Gebet ruft. Eigentlich ist es sehr schwer in Kapstadt zu filmen. Halte ich die Kamera hoch, kommen Kinder und rufen die anderen herbei und im Nu bin ich eingekreist. Alle wollen fotografiert werden und dementsprechend Geld bekommen. Ich wollte in eine Moschee gehen, aber so unbemerkt wie möglich. Leider wurde es durch die Kinder immer wieder vereitelt. Dann ging ich ohne zu filmen zur nächsten Moschee. Ich lugte nach dem Eingang und nach der Umgebung. Husch war ich hinter der Türe in der Moschee verschwunden und da empfing mich gleich eine Tafel: „Für Andersgläubige verboten“. Ich trat noch zwei Schritt weiter, wenn ich schon drin war wenigstens etwas mit den Augen zu erhaschen. Der Eingang ist in Steinfliesen verlegt. Der eigentliche Gebetsraum mit einem roten Teppichboden ausgelegt. Da wo der Teppichboden beginnt, stehen Holzschuhe, mit denen der Teppich betreten werden darf. Sonst gibt es so gut wie nichts zu sehen. Bilder oder sonst etwas gibt es nicht zu sehen. Der Raum wird nur durch maurische Fensterbogen erhellt. Das einzige, was es gibt, ist eine Kanzel und ein kleiner Torbogen, ähnlich wie eine spanische Wand oder die Bilderwand bei einer russisch orthodoxen Kirche. Was hier geschieht weiß ich nicht. Kein Altar oder Tisch, keine Kerzen, Blumen, nichts. Der einzige Schmuck sind Papierschlangen, wie wir sie in der Karnevalszeit an der Decke haben. Die Malaien sind arm und gehen wie die Neger in Fetzen herum. In dem ganzen Viertel habe ich nur ein neues schönes Haus gesehen. Dafür sind die Mädchen ziemlich hübsch. Ein Wortwechsel ist so gut wie nicht möglich, denn wie an unserem Anschlagbrett auf dem Schiff steht, ist jeder gesellschaftliche Verkehr mit Farbigen aller Schattierungen verboten. Zuwiderhandlungen werden mit zwei Jahren Steinbruch bestraft. Ich habe die beste Zeit meines Lebens schon mit Steinbruch belegt, wenn man mich jeweils immer erwischt hätte. Abends ging ich in Kapstadt noch zum Essen in das Waldorf-Restaurant.

Dann zog unser Schiff weiter nach Port Elizabeth. In Port Elizabeth kam der Funker in die Maschine. Eigentlich kommt so etwas nicht vor. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn, was er in dieser branchenfremden Gegend suche. „Ja, da sind Sie ja, haben Sie Lust den Ado-Elefantenpark zu besuchen?“ kam es unerwartet an mein Ohr. Ich war natürlich dabei. Bei Nieselregen ging es los nach einem Mietwagen zu suchen. Leider war schon Geschäftsschluss. Da es regnete fuhren wir mit einem Taxi von einer car-hire zur anderen um einen Wagen zu mieten. Nun fragten wir den Taxifahrer, was er wolle. 8 . Der Nächste wollte 7,15 . Dem Elektriker, der auch noch mit von der Party war, war es nun zu bunt. Er wollte nicht mehr und ging zum Biertrinken. Nun suchten wir das nächste Taxi. Da haben wir nun den Preis auf 6 heruntergehandelt. Bis jetzt war alles normal. Der Fahrer sagte, dass er kurz Bescheid sagen wolle. Er kam wieder aus dem Haus und sagte, dass wir in ein anderes Auto umsteigen sollten. Nun fuhr uns, wie wir nachher feststellten, sein Bruder. Hinterher kam seine Frau mit dem Jüngsten auf dem Arm, das weinte, weil es aus dem Mittagschläfchen gerissen worden war. Dann stellte er uns seine Frau vor und sagte, sie könne doch mitfahren. Höflichkeitshalber sagten wir nicht nein. Tatsächlich hatten wir nun das Glück, dass wir uns mit beiden recht gut unterhalten konnten. Es war richtig freundschaftlich. Wir erzählten auch gleich, dass wir von der Rassentrennung nicht eingenommen sind und eine Basis für die Unterhaltung war gegeben. Er wollte uns von Freund zu Freund noch ein paar Mädchen besorgen. Vielleicht wollte er damit das Trinkgeld anheben, glücklicher Weise erschien er nicht wieder. Im Ado-Elefantenpark sahen wir Elefanten mit ihren Jungen, raufende und friedlich trampelnde Elefanten. Wir sahen auch Strauße. Einer war ganz nah und als er uns bemerkte, kehrte er uns den Rücken zu und ging wie eine aufgescheuchte alte Jungfer mit wippendem Federkleid davon. Es gab Rudel von Antilopen. Einmal kamen wir auch an eine Antilope sehr nahe heran. Sie glotzte uns wie eine Kuh an und schlich beleidigt davon, wie wenn sie sagen wollte: „Was wollt ihr den hier, das ist doch mein Revier, ich geh ja schon, ihr seid mir doch überlegen.“ Ab und zu sah ich Rebhühner und einmal einen wunderbaren Vogel mit einem Federkamm auf dem Kopf und einem langen Schwanz. Leider erwischte ich ihn mit der Kamera nicht. Ich musste immer blitzschnell sein, der Fahrer musste vorsichtig das Auto anhalten, ich die Scheibe runterkurbeln, Kamera einstellen. Bis ich das erreicht hatte, waren die Viecher meistens weg, wenn nicht das anhaltende Auto sie schon verscheucht hatte. Auf dem Rückweg huschte irgend etwas über die Straße. Ich sagte, es hätte ein Hase sein können, ich hatte nur die letzte Hälfte des Leibes gesehen. Wie wir dann näher herankamen bemerkten wir, dass es Affen waren. In einem Baum hatten sie ihr Lager aufgeschlagen, da wir aber trotz ihres Geschreis nicht weichen wollten, verließen ihr Lager. Weit weg, im vom Abendlicht noch erhellten See, sahen wir zwei Nashörner die Köpfe aus dem Wasser strecken. Es war ein herrlicher Tag und nachdem wir Port Elizabeth im Taxi verlassen hatten, verließen uns auch die Regenwolken und der ganze Nachmittag war schönstes Wetter. Der Blitz, wie der Elektriker auch genannt wurde, hat sich geärgert weil er nicht mitgegangen ist.

Am zweiten Tag in Port Elizabeth war ich im Aquarium, in dem ein Delphin-Zirkus ist. Die Delphine machen die elegantesten und graziösesten Sprünge. Das Ganze ist anmutiger als das schönste Ballett, so fließend sind die Bewegungen und das nur, um einen Fisch zu erhalten.

Auch dieser schöne Tag ging zu Ende und die Krugerland lief nach East London aus. East London ist der letzte Hafen vor Durban, wo das zweite Zuhause eines Großteils der Besatzung ist. In East London lagen wir nicht lange und laut Beschreibung soll East London sehr interessant sein. Ich werde es nicht so schnell vergessen, aber aus einem ganz anderen Grund.

Ich hatte Hafenwache und schaute den Landgängern nach. Irgendwann sah ich an der Gangway eine Tafel „Ende des Landgangs 15 Uhr“. Später war 15 Uhr in 16 Uhr geändert. Ich ging an Land, jetzt war das Ende des Landgangs schon auf 17 Uhr geändert. Nachdem ich, an meinen verwöhnten Augen gemessen, in ziemlich langweiligen Straßen herumgegangen war, ging ich ein Bier trinken. Ich kam mit einem Deutsch-Afrikaner in eine Unterhaltung über Schwarze und Weiße, über Deutschland und sonst noch alles mögliche. Schließlich sagte ich zu ihm, dass das Schiff auslaufen würde und ich deshalb gehen müsse. So sehr beeilen wollte ich mich nicht, denn es läuft ja immer ein paar Stunden später als angekündigt aus und ich hatte mich mit ihm angeregt unterhalten. Schließlich verlies ich ihn und ging gemütlich zum Schiff. Als ich es sah, hörte ich, wie schon einmal, „Muss i’ denn, muss i’ denn zum Städtele hinaus“ gespielt wurde. Ich dachte bei mir, einer der Matrosen spinnt wieder einmal und lässt seinen Plattenspieler auf voller Lautstärke laufen. Trotzdem der Rhythmus ging ins Blut und ich marschierte auf die Musik. Der zweite Offizier stand an Deck und lachte, wie er mich sah. Ich meinte, weil ich auf die Musik so zünftig marschiere. Jemand anderes fuchtelte mit seinen Armen herum und wurde immer hektischer; na, ja die Seefahrt. Plötzlich stellte ich fest, dass die Gangway schon eingeholt war. Damals wusste ich noch nicht, dass dieses Lied immer beim Auslaufen gespielt wird. Das Schiff hing gerade noch am letzten Tau. Jetzt spurtete ich aber so schnell wie ich nur konnte. Keine Minute später und das Schiff hätte abgelegt gehabt. Gegen einen Kasten Bier wurde mir die Jakobsleiter heruntergelassen, an welcher der Lotse immer an Bord kommt. In der Hand trug ich eine Single-Schallplatte und an den Füßen Holzpantinen. Für die Jakobsleiter brauchte ich freie Hände und an den Füßen keine wackeligen Pantinen. Ich steckte die Single in mein Hemd, nahm die Pantinen von den Füßen und warf sie, eine nach der anderen auf das Deck. Im allerletzten Moment kletterte ich an der Jakobsleiter mit Hilfe der Kollegen an Bord. Hätte ich es nicht geschafft, wäre ich die halbe Reise umsonst gefahren, weil ich mit dem Taxi oder Flugzeug dem Schiff auf eigene Kosten hätte nachreisen dürfen. Als ich an Bord angekommen war, war ich wie betrunken. Bis der Schreck überwunden war, dass das Schiff schier gar ohne mich ausgelaufen wäre, wusste ich nicht wo Vor- oder Achterschiff war und wo Back – oder Steuerbord war.

Nun ging es zum vielberedeten und gepriesenen Durban.

Bei der Ankunft in Durban hatte ich Dienst und ging wieder Wache. Dann machte ich mich zur ersten heiligen Handlung fertig, die fällig ist, wenn das Schiff angelegt hat und ich noch Dienst habe. Die Dienstanweisung heißt: Im Schornstein hochklettern und den Auspuff abdecken, mein Anliegen ist aber aus höchster Höhe die neue Umgebung zu betrachten. Durban liegt schön. An einer Seite ist es vom Meer begrenzt, von der anderen von einem Wald. Gleich in allernächster Nähe standen Hochhäuser, nein Wolkenkratzer, das gibt es in den großen afrikanischen Städten mehr als bei uns.

Sie erscheinen mir unendlich hoch und breit. Der Stuttgarter Tagblattturm wäre in Kapstadt oder Durban ein ganz normaler Bau.

Gleich am Hafenausgang warteten 1MS-Taxis. Das sind 1 Mann-Stärke–Taxis oder in anderer Sprache Rikschas. Der eine Mann des Taxis ist ein Zulu, der wenn er nicht so farbenprächtig wäre, wie eine aufrecht gehende Kuh aussieht. Die Zulus mit ihren Rikschas hüpfen wie eine aufgeregte Kuh. Der Kopf ist von zwei oder vier Kuhhörnern und reichlich buntesten Perlen besticktem Kopfputz geziert Am Bauch oder an den Beinen hängen Felle und Muscheln, um die Fesseln prangen eventuell noch Silberspangen. Mit viel Gepfeife, Geschrei, Armwedeln und nötigenfalls noch die Mimik von sich aufbäumenden Pferden wird zu einer Fahrt eingeladen oder wenigstens für ein paar Cent zum Fotografieren. Das Geld, das man ihnen gibt, ist immer zu wenig. Wenn ich ihnen fünf Mark geben würde, würden sie das Doppelte verlangen. Natürlich ging ich in Durban wieder mit dem Funker an Land, schon wegen Visa für den Krüger-National-Park. Wie dies ausgeht steht noch in den Sternen. Nach weniger erfolgreicher Umschau trennten wir uns. Ich ging zum indischen Markt. Es gibt nicht wenig Inder in Durban. Nachdem ich zehn Minuten gegangen war, kam ein Inder und fragte mich:

„Swedish?“

„No German.“

„You are comming with the boat?“ usw.

Ich fragte ihn nach dem Indischen Markt. Er hatte anscheinend den gleichen Weg. Er sprach viel von den anderen Schiff unserer Reederei, einem, das auch hier in Durban liegt und von deutschen Radios, Kameras und was weiß ich noch alles bis wir beim Indischen Markt waren. Er führte mich zu seinem „Freund“. Ich bekam den Eindruck, dass es bei den Indern nur Freunde gibt. Davon gleich mehr. Ich dachte, wenn ich mich bedanke ist alles in Ordnung, aber er wollte Geld für seine Führung. Von außen ist der Indische Markt nur ein offener Eingang wie in einen Laden oder in einen Hinterhof. Gleich steigen die ersten Düfte von Gewürzen in meine Nase. Ich befinde mich in einer Halle, wie in der Stuttgarter Markthalle. Bei dem indischen Freund angekommen wurde ich ihm vorgestellt:

„German, Krugerland“.

„Ah, Krugerland, good day my friend.“

“I have much friends from Krugerland and Kapland and Moselbay.“

Kapland und Moselbay sind Namen von anderen Schiffen unserer Reederei.

„All from Krugerland come to me.“

Dann zog er ein Heft hervor, in dem ich unsere halbe Schiffsbesatzung verewigt fand, sowie Namen der Besatzung von den anderen beiden Schiffen.

„What do you like, tigereyes, ivory, elephants?“

“Please give me time”

Als ich dann nach dem ersten Stück fragte, stellte er eine Limonade hin: „For you my friend.”

Das erste Stück kostete dreizehn Südafrikanische Rand, so stand es wenigstens auf dem Etikett. Er sagte: „13 Rand, but for you 10,50 R. Nun war ich sein Freund. Ich wollte ja gar nichts kaufen, nur weil das Zeug so schön ist. Weil ich das nächste Mal wiederkomme und sein Freund bin, bekomme ich es dann auch billiger. Ich hatte ja gar kein Geld für diesen Luxus und außerdem war es viel zu teuer. Dann machte er wieder einen Preis für mich, seinen Freund und ich fing bei 8 R. an, nur es war jetzt etwas anderes und der Preis war mit 22 R. angesetzt. Mit „das ist das letzte Angebot“ und „ich habe fast keinen Verdienst“, wurden wir uns bei 12 R. einig.

Das war Gestern. Heute war ich nochmals beim Indischen Markt und beim Zulu-Markt. Auf dem Zulu-Markt ist ein Geschrei wie bei einem Boxkampf. Auf dem Markt treffen sich Städter und Landleute. Die Zulu rennen mit ihrem Ohrenschmuck umher, mit Silberspangen an den Fesseln, die Kinder mit einem Tuch auf den Rücken gebunden. Als Weißer unter Schwarzen ging ich ziemlich schnell über den Markt. Was ich sah mutete sehr primitiv an. Fast alles spielte sich nur auf dem Boden ab. Dort liegen Gewürze, Fleisch und Fisch, aber auch Petroleumlampen. Auf dem Markt wurden auch Felle gegerbt oder Schuhe repariert. Friseure gibt es mehr als genug für Frisuren, wie es die Weißen tragen aber auch für Frisuren, wie es die traditionellen Zulu haben. Bei einem Zulumädchen sah ich zu. Es sieht so aus als ob der Friseur oder die Friseurin mit einem Bindfaden die Frisur nähen würde. Wie das geht, weiß ich nicht, jedenfalls wird mit einem Faden in den Haaren genäht und am Schluss kommt ein spiralförmiger Scheitel heraus.

Ich bin in irgend etwas geraten, das man Volksspeisung nennen könnte. Die Zulu gingen in beiden Händen mit Holzkannen umher, in denen 2 Liter einer dunklen Brühe war. Vielleicht Kaffee, vielleicht Bohnensuppe, durch riechen konnte ich es nicht herausbekommen.

Ein andermal wollte ich, um den Weg abzukürzen, durch eine schmale Gasse, durch die ich gestern gegangen war. Dabei bin ich auf einen Hinterhof geraten, der von Indern bewohnt war. Ich hatte die Kamera offen in der Hand. Bei einer guten Gelegenheit hätte ich gefilmt. Irgendwie wollte ich nicht weiter und dreht um, da wurde ich angehalten, was ich wolle. Als ich ihm verdeutlicht hatte, dass ich mich verlaufen hatte, konnte ich mich wieder recht frei bewegen. Trotzdem konnte ich einen leichten Blick in eine indische Wohnung erhaschen. Sehr ordentlich war es nicht. Es war nur ein Blick aus den Augenwinkeln, denn niemand sollte etwas merken.

Etwas müde von dem nachmittäglichen Ausflug wollte ich ein Bier trinken und ging in ein besseres Lokal. Ich wusste ja noch nicht, ob es überhaupt Bier gab, das es in Süd-Afrika ja nicht überall gibt, und wünschte die Karte. Es war aber die Speisekarte. Ich sagte mir „all right“ einmal gut essen ist auch nicht schlecht, das krönt den Tag. Auf Wiener Schnitzel oder Eisbein mit Sauerkraut hatte ich keine Lust und fragte nach einer südafrikanischen Spezialität. Es war Crayfish. Einmal Crayfish. Ich wartete der Dinge, die da kommen sollten. Als sie da waren, schmeckten sie ganz ausgezeichnet. Es waren Langusten mit Pilzen, Tomaten, Reis, grünem Salat und Zwiebeln. Es hat herrlich geschmeckt. Jetzt hatte ich Appetit bekommen und bestellte noch Käse und Rotwein und zum Schluss noch Fruchtsalat und einen Kaffee, was ich neuerdings sehr gut vertrage. Als ich bezahlt hatte, stellte die Bedienung ein Paket auf den Tisch mit der Frage Crayfish. Ich bejahte. Ich dachte, dass ich die leeren Schalen bekomme, die ich ohnehin vorher schon an mich bringen wollte, anderseits hatte sie auch etwas geredet von Crayfish als ich die Portion aufgegessen hatte. Möglicherweise hat sie mir den Rest mitgegeben, der eigentlich noch zu der Portion dazu gehört hatte. Wie es sich tatsächlich verhält weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich sieben Langusten im Kühlschrank.

Ich muss mal sehen, ob sie noch da sind.

Jetzt bin ich wieder zurück. Die lieben Tiere sind noch da. Eben habe ich den Koch getroffen, er sucht seinen Kammerschlüssel. Der Koch soll die Langusten morgen kochen, dann werde ich sie mit meinem Ing. essen. Der wird sich freuen. Eigentlich wollte ich sie mit dem Funker essen, aber der mag sie nicht. Der Funker hat noch eine Flasche Rotwein, die wollen wir miteinander trinken, weil ich ihm einmal in seinem Lager geholfen habe. Es ist jetzt halb drei, ich will jetzt einmal sehen, ob noch alles in Ordnung ist. Ich bin jetzt auf Wache und verbringe die Zeit mit Schreiben.

Dies war nun ein Bericht der letzten Zeit. Ich habe nicht geglaubt, dass ich ihn noch zusammenbringe. Gestern Abend habe ich angefangen und dann so elend Kopfweh bekommen, dass ich im Waschraum auf dem Boden lag und geschlafen habe; ohne Komplikationen, trotz Wache, denn der diensthabende Ing. hatte Besuch.

In Durban war ich in der größten Moschee der südlichen Hemisphäre. Sie war dreistockig. Im Erdgeschoss war, wie zu erwarten, der Betraum. Was im zweiten Stock war, weiß ich nicht mehr, aber der dritte Stock war ein Sportfeld für die Jugend auf dem Flachdach der Moschee. Eine Moschee ist mehr als ein Bethaus, sie ist ein Zentrum. Wenn man auf die Toilette will, braucht man nur eine Moschee zu suchen. Die Koranschule ist in der Nähe und dann gibt es auch immer Läden im Bereich um die Moschee.

Lorenço Marques, den 18.7.66.

Nun waren wir eben in Beira, wo ich nicht an Land war, und sind nun von Beira zurück in Lorenço Marques.

Von Beira aus wollte ich in ein Wildreservat, das wurde mir vermasselt. Auch die Ing’s waren nicht an Land, jeder war ziemlich grätig. So bin ich auch mit meinem Ing. nicht schlecht zusammengerasselt. Ich bin übergekocht, aber ich glaube, dass es jetzt wieder eingerenkt ist. Er wollte mich schikanieren, aber ich ließ es mir nicht gefallen. Jetzt will ich sehen, dass ich noch einmal in ein anderes Wildreservat komme. Hoffentlich klappt es nun entweder hier in Lorenço Marques oder auf der Rückfahrt in Durban.

Als ich hier das erste Mal in Lorenço Marques war, kam ich mehr oder weniger zufällig, eine gewisse Neugier habe ich ja immer, wenn ich unterwegs bin, in eine Moschee. In der Moschee waren Moslems zum Gebet. Ich habe einer Tafel entnommen, dass man die Moschee betreten darf. Ich war wieder einmal glücklich. Auf der Tafel stand so etwas wie Besucher Schuhe ausziehen. In dieser Moschee habe ich mehr gesehen. In einem Vorhof sind Stufen, auf denen die Schuhe der Besucher stehen und meine blieben auch dort. Als ich in die eigentliche Moschee trat, war rechts ein Raum mit nichts als Waschbecken. Dort reinigen sich die Moslems wahrscheinlich vom Schmutz der Welt. Dann gehen sie erst in den ersten Vorraum, dann in den zweiten und dann in den Hauptraum. Zutritt haben nur Menschen männlichen Geschlechts, denn nach der Auffassung der Moslems haben Frauen keine Seele. Da waren alte Männer und vielleicht 8-jährige Jungen, alle begingen das gleiche Zeremoniell. Du denkst jetzt wahrscheinlich, dass sie alle auf den Knien lagen und sich zum Boden beugten. Ja auch, aber das ist nicht alles. Sie küssen den teppichbelegten Boden, dann richten sie sich wieder auf, legen die Daumen hinter das Ohr, spreizen die Finger, als ob sie mit Elefantenohren hören wollten was ihnen Allah sagt. Der Kopf muss bedeckt sein, ein Taschentuch genügt. Nun beten aber nicht alle gleichzeitig dasselbe, wenn der eine steht und „hört“, küsst vielleicht der andere den Boden und ein weiterer ist vielleicht erst beim Waschen. Für Außenstehende geht alles durcheinander. Ich will versuchen, ob ich es einmal filmen kann, vielleicht klappt es. Ich hoffe nicht, dass es mir wieder so geht wie ich beim Indischen Markt in Durban in einen Hinterhof geraten war.

In der Moschee habe ich mich mit einem Moslem ausgetauscht, er hat sogar das Thema Papst bei mir angesprochen. In Mocambique habe ich auf dem Markt eine Tonflasche erstanden, wie ich eine in der Mosche gesehen habe, ein ästhetisches Juwel, eine Kugel und ein schlanker, langer Hals.

Da fällt mir gerade ein, vom Rauschgift habe ich Dir noch nichts geschrieben. In Durban bin ich einer Negerin mit der Filmkamera nachgestiegen, bis ich sie vor die Linse bekam, ohne dass sie es merkt.

Jahrzehnte später hat sich herausgestellt, dass sie so etwas wie eine Priesterin der Magie war. Sie verlangte, dass ich die Filmsequenz, auf der sie zu sehen war, verbrenne, was ich dann auch tat.

Mein Filmbegehren sahen die Händler vom Indischen Markt. Sie sagten, ich solle sie doch filmen, aber ich hatte sie nie so wie ich wollte. Irgend wann klappte es und dann kam ein etwa 15-jähriger Inder, der selbst für asiatische Verhältnisse etwas zwielichtig schien, auf mich zu, nachdem er mir zuvor gesagt hatte, ich solle filmen. Er griff in seine Tasche und sagte: „coka, coka“. Er sprach auch vom Wunderland oder so ähnlich und von in Tee tun. Ich sagte: „Kokain“, aber da hat es bei ihm nicht geschaltet. Sein Oberarm blieb ganz unbeweglich nur ab dem Ellenbogen schob sich sein Arm mir entgegen und er drückte mir ein Brief mit dem Pulver in die Hand mit der Bemerkung: „Pocket“. Nach einem kurzen Blick auf das seltsame Handelsobjekt tat ich es in meine Tasche, während die schwarzen Augen meines Handelspartners die ganze Umgebung nach unliebsamen Zuschauern kontrollierten. Nachdem er mir nicht verdeutlichen konnte was es ist, und eine ungewöhnliche Verkaufspraxis an den Tag legte, gab ich das Zeug wieder zurück. Nun wollte er mir ein noch größeres Quantum anbieten. Für mich war dieses Handelsgeschäft passé.

Ich ging dann weiter ohne die Begleitung des seltsamen Wunderpulverhändlers. Nun will ich sehen, dass ich bei den Zulus noch filmen kann. In Moçambique herrscht übrigens keine Rassentrennung.

Vielleicht komme ich noch in einen Kral oder in eine Wellblechcity. So ganz wohl ist mir bei dem Gedanken nicht, wenn ich die Negermamis, ihre Kinder in einem Tuch auf dem Rücken tragend, filme.

Letzten Sonntag war ich in Lorenço Marques bei einem portugiesischen Stierkampf. Ich will nicht den ganzen Stierkampf schildern, denn davon verstehe ich nichts, aber den Schluss muss ich erzählen.

Nachdem der Stier entsprechend gepiesackt worden war und das Schiedsgericht durch ein Trompetensignal angekündigt hat, kommen aus dem Loch, wo am Anfang der Stier herausgekommen ist, ungefähr 10 Kühe mit Kuhschellen heraus. Die rennen mit ihrem Gebimmel einmal in der Arena herum und der vorher so erboste Stier rennt mit der Herde wie ein verlorenes Schaf mit und fühlt sich so unter den Kühen geborgen. Er geht mit der Herde wieder in das Loch, aus dem er und die Kühe gekommen waren. Dann kommen zwei schlaksige halbuniformierte Neger mit langen Stangen und treiben die Kühe, die keine Lust haben zurückzukehren, in das Loch.

Kapstadt, den 6.8.66

Im Schiff, am schwarzen Brett stand genaugenommen nicht jeglicher gesellschaftlicher Verkehr mit Farbigen aller Schattierungen ist verboten, es hieß jeglicher gesellschaftlicher und Geschlechtsverkehr mit Farbigen ist strengstens verboten und kann mit Steinbruch bis zu zwei Jahren geahndet werden. Allein schon dieses menschenentwürdigende Verbot war Anlass genug, mich gegen eine solche Gesellschaft zu erheben. Ich ignorierte es und fuhr zum Beispiel nicht bei "white only" sondern bei den Farbigen.

Seit Durban war ich dauern auf Achse. Jetzt nach Durban gibt es laufend Manöverfahren. Bei meinem Besichtigungsprogramm bleibt oft nicht mal richtig Zeit zum Schlafen. Laut Fremdenführer habe ich alles gesehen, was ich sehen wollte. Ich habe sogar noch mehr, nicht nur Sehenswürdigkeiten, gesehen. Ich konnte auch Atmosphäre riechen.

Habe ich schon geschrieben, wie in Durban die Sonne untergeht? Da Durban näher am Äquator liegt als Deutschland, geht es ziemlich schnell. In einer halben Stunde ist es stockfinstere Nacht. Um diese Zeit komme ich meistens vom Indischen Markt. Wenn ich dann aus dem Häusernetz heraustrat und in die Parkanlage der City-Hall kam, ging das fidele Zwitschern in den Baumkronen los. Akustisch fühlte ich mich plötzlich in den tiefsten Urwald versetzt, so ein Palaver machten die Vögel in den Bäumen, dass ich meinte hundert Vögel seien in einem Baum. Sehen konnte ich keinen. Dazu kam die eigenartige Stimmung des endenden Tages, der Beginn der Nacht. Da fällt mir immer ein, was ich einmal gelesen habe: „Das Schwert der Nacht zerschneidet die letzten Halte-Taue des Tages“. Es ist tatsächlich so, als wollten die Vögel mit ihrem fast zum Geschrei anschwellenden Palaver die Nacht aufhalten oder vertrieben.

Ich habe die Zulus auch gesehen wie sie sich geben, wenn sie unter sich sind, ohne europäische, gesellschaftliche Uniform. Ich weiß nicht, ob Du den Satz: „Die Welt ist klein geworden und der Glanz der fremden Sorten an Kunst und schönen Dingen wird zum Schimmer für immer“ kennst. Ich habe den Schimmer aufpoliert, es wurde noch ein ganz ordentlicher Glanz. Ich glaube ich habe sehen und verstehen gelernt. Das bedeutet nicht nur mit den Augen sehen, sondern mit der Seele. Anders ausgedrückt, das Selbstverständliche ist oft eine kleine Schönheit, die nicht mehr beachtet wird, bloß weil sie keine Seltenheit ist. Ich habe gelernt, sie wieder zu beachten. Das macht das Leben reicher. Ich dachte etwas anderes zu lernen, aber ich glaube ich habe etwas viel besseres gelernt. Wenn ich eine Tasse Tee trinke ist das nicht nur Durstlöschen sondern mehr. Der Geschmack regt mich dazu an, an Indien zu denken, das bitter Würzige ist ein Genuss. Oder Reisbrei mit Pflaumen kann mich in Gedanken ganz nach Japan versetzen, wenn der dunkelrote Saft sich mit der Milch zu einem Kardinalrot mischt, kommt einfach Ruhe über mich. Der Stein der Pflaume ist eine wunderbare Abwechslung gegen das gleichmäßige Jeden-Tag-Essen.

Nicht nur das Essen, auch das Einkaufen auf dem Indischen Markt war irgendwie etwas besonderes, vor allem bei dem Gewürzstand, wo ich Anis oder Zimt zerkaute, um festzustellen was es war oder an einem Löffel mit Curry roch, ob und wieviel ich wollte. Das Einkaufen einer indischen Götterfigur, indischem Weihrauch und dem dazugehörigen Gefäß ist spannend, das Herausfinden wie es gebraucht wird genauso schön. Ich bin einfach in einer anderen Welt. Wie schon einmal erwähnt, ich habe Indien im allerletzten Augenblick in Afrika noch kennengelernt, es sind ja viele, sehr viele Inder in Afrika.

Nun will ich noch schreiben was sonst noch alles war.

Im Tal der Tausend Hügel besuchte ich ein Zulureservat. Dort herrscht Polygamie. Ein Mann hatte zwei Kinder und sechs Frauen. Für die Touristen wurden lächerliche Tänze aufgeführt. 

Es ist schon wieder 1 Uhr 10, Zeit, so dass ich jetzt schlafen gehe. Gestern Vormittag war ich beim Zahnarzt und habe mir vier Löcher stopfen lassen. Das ist in groben Zügen wieder einmal alles. In Durban, wo wir über eine Woche waren, habe ich von niemandem von Zuhause etwas gehört. Ich lerne Geduld üben. Leider haben wir einen sehr ausgeprägten Zeitsinn, so dass man wartet. Die Zulu sind anders, wenn sie 400 Meter von ihrer Hütte entfernt sind und es dunkel wird, gehen sie nicht nach Hause, zu einer ihrer Frauen, nein sie machen ein Feuer und schlafen wo sie sind und gehen am

Walvis Bai, den 8.8.66

Langsam kapsle ich mich wieder ab. Es sind doch fast nur Blutjunge hier und sie benehmen sich wie die Kinder. Ich meinte, dass Seeleute, die um die halbe Welt gekommen sind, etwas weltoffener sind, aber nein. Sagt doch einer zu mir: „Auf der Insel Föhr, wo ich zu Hause bin, kannst Du das nicht machen“. Als ob die Insel Föhr das Maß für die Welt wäre.

Was war geschehen? Das Ganze reicht zurück nach Kapstadt bei der Hinreise. Es war nachts kurz vor 24 Uhr, kurz vor dem Ende meiner Wache, da kommt meine Ablösung in die Maschine und sagt: “Du ich habe da eine ganz tolle Frau kennengelernt und möchte noch bei ihr bleiben, würdest Du meine Wache gehen, ich gehe dann für Dich einmal?“ Ich sagte zu und er verbrachte die Nacht mit seiner tollen Frau. Auf der Rückreise kam der Funker zu mir und sagte, dass er in ein Wildreservat fliege, ob ich mit wolle? Der Ausflug dauerte 1½ Tage. Das ginge zeitlich, wenn der eine die Wache geht, die ich für ihn in Kapstadt gegangen bin und wenn der andere Assi auch mit mir Wache tauschen würde. Ich sagte dem ersten Bescheid, er war einverstanden sein Versprechen einzulösen. Nun fragte ich den Assi von der Insel Föhr, ob er mit mir Wache tauschen würde. Er sagte zu und ging Wache. Jetzt flog ein Pilot in einer viersitzigen Cesna den Funker und mich in das Wildreservat. Im Reservat fuhren wir mit einem VW-Bus herum. Abends übernachteten wir in einem Landhaus im Reservat. Unter anderem gab es zum Abendbrot eine ausgehöhlte Ananas mit Fleischfüllung. Am nächsten Morgen flogen wir mit der Cesna zum St.-Lucian-See. Das war ein Vogelparadies mit Wasservögeln wie Flamingo und Pelikanen. Wir fuhren mit dem Boot auf dem See umher. Mittags brachte der Flieger uns wieder zurück nach Durban und vom Flughafen ging es mit dem Taxi zum Schiff.

Der Assi hat sich einfach geärgert, dass er diese Reise schon zum zweiten Mal gemacht hat und ich ihm mit diesem Ausflug zuvorgekommen war.

Auf See, den 16.8.66

Bei uns geht jetzt das Zuturnen schon los. Nachmittags mache ich zusammen mit einem anderen Assi etwa zwei Stunden lang Mathematik. Dabei kommt für mich mathematisch nichts dabei heraus, aber ich habe jemanden mit dem ich ab und zu reden kann. Er ist auch schon älter und will jetzt zur Schule um sein Ing.-Patent zu machen. Ja das Zuturnen ist eine feine Sache, wie beim Kommiss, man kann nichts dagegen sagen, aber nötig wäre es nicht. Es ist reine Machtdemonstration. Ich gehe damit auf meine Art um. Eigentlich sollte ich von 13-15 Uhr zuturnen. Ich gehe um halb drei Uhr los, ziehe mich um und putze ein bisschen Messing. Der Rest wird sowieso nicht sauberer. Ich tue, als ob ich geputzt habe. Er hat es heute auch nicht bemerkt. Gestern sagte er noch: „Das ist schmutzig“, heute sagt er nichts dazu, obwohl ich nicht gefummelt habe.

Sonst gibt es nichts Neues, vielleicht noch, dass ich in der Annahme einen Saft vor mir zu haben, Seifenwasser getrunken habe. Es sah so aus und wurde mir auch als solcher empfohlen. Wir sind wieder am Äquator. Anscheinend beginnen jetzt wieder die kleinen Scherze. Eigentlich wollte ich mich heute noch etwas sonnen, aber die Sonne will sich gar nicht sehen lassen. In wenigen Tagen werden wir in Las Palmas sein, und dann noch vier Tage, dann sind wir in Rotterdam. Antwerpen werden wir endgültig nicht anlaufen.

In Durban, bei der indischen Mami gab es keine Elektrizität, sie hatte noch eine Öllampe. Da merke ich erst was ich alles habe. Trotz Rassentrennung, unter die auch die Japaner und Inder fallen, war es dort so gemütlich wie nirgends in Afrika.

Nun muss ich auf Wache, ich muss mit dem Schreiben schließen.

Auf See, den 17.8.66

Heute Mittag war ich auf der Kommandobrücke und habe auf das Meer gesehen. Der Himmel war ziemlich bedeckt, nur in der Ferne, fast am Horizont war das Meer beleuchtet und ich dachte, so ist der Bodensee – genau gleich.

Wir haben alles, aber sehen es nicht. Wir sollten das, was wir haben, nicht immer geringer und das andere höher schätzen.

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Abgemustert in Rotterdam am 27.8.66.

 

Mit der immer wieder auftauchenden Frage nach der Richtigkeit der Naturvölker, einmal (1960) Hito-hito-Menschen ein andermal (1966) Wilde, Indios oder Zulu genannt, setze ich mich (2002) in meinem Buch „Gespräche mit Lucy, Band 1: Trinität“ auf Seite 31 und folgenden Seiten theoretisch auseinander und (2005) in Thailand und Sri Lanka mehr oder weniger praktisch.