Südafrika
Hamburg, den 31.5.66
Ich bin wieder glücklich. Nach über sechs Stunden Suchen,
habe ich jetzt eine gute Kamera. Das musste jetzt zuerst heraus.
Bis jetzt habe ich den Eindruck, dass dieses Schiff nicht
schlechter ist als das erste, eher besser. Aber eine Einzelkammer hält auch
dieses Schiff nicht für mich bereit.
Nun das Bezeichnendste: Der
Dampfer hat 10 Tausend BRT. Die Maschine hat 9 800 PS, zum Vergleich, die
Perseus hatte 5 200 PS, also ist es ein ganz niedlicher Dampfer. Unsere einzige
noch freie Wand ziert eine Weltkarte und keine Damengalerie. Das letzte Schiff
muss der vorletzte Dampfer gewesen sein. Aber, gelobt sei was hart macht. Nun
die voraussichtliche Reise: Am 3. Juni sollen wir aus Hamburg rausfahren, dann
kommt Bremen, Amsterdam oder Rotterdam und Antwerpen, davon bin ich nicht
begeistert, aber das macht nichts. In Las Palmas auf den Kanarischen Inseln
soll Treibstoff gebunkert, das heißt getankt werden. Eventuell kann ich dann an
Land. In Curҫao, wo wir das letzte Mal
gebunkert hatten, konnte ich es ja nicht. Dann geht es nach Kapstadt, Port
Elizabeth, Durban, Laurenҫo Marques, Beira und den
gleichen Weg zurück, ausgenommen Las Palmas. Es ist nur so, dass ich kaum zum
1. September zurück sein werde, das habe ich erst jetzt erfahren. Was die
Technische Hochschule dazu meint, weiß ich noch nicht. Wenn es aber nicht
klappt, dann werde ich noch etwas Seefahren. Ich hatte auch ein Angebot nach
Asien, aber da hätte ich mich für ein Jahr verpflichten müssen, das ging aber
wegen der TH nicht.
Wie ging es in Hamburg weiter?
Ich ging wieder auf das
Arbeitsamt und suchte nach einem vielleicht besseren Schiff als die Tugelaland
bei der ich schon angefragt hatte. Doch mir erschien die Tugelaland doch als das
beste. Ich ging nun auf die Reederei. Die Tugelaland war besetzt, weil ich so
spät gekommen bin. Sie setzten mich auf ein anderes Schiff der Reederei. Sein
Name ist Krugerland. Bis vor kurzem war es ihr Flagschiff. Nun kann ich von
Glücksagen, dass ich nicht auf den Neubau Tugelaland kam. Der Neubau kommt viel
später zurück, weil er vorher noch Probefahrt macht. Auch kennt sich auf dem
Schiff noch niemand aus. Unter Umständen könnte also sehr viel los sein. Ich
hatte Glück. Bis jetzt ist alles wunderbar. Es wird mehr Arbeit geben, aber
bekanntlich adelt ja Arbeit. Gestern war ich im Hamburger „Killesberg“ und traf
dort einen Seemann, der im Giebel aufgewachsen ist. Dort habe ich dann noch
etwas gefilmt und jetzt ließ mich die Kamera trotz nagelneuer Batterien wieder
im Stich.
Une
petit comédie, eine kleine Komödie:
Heute morgen um halb zehn
startete ich, um die Batterien von der Filmkamera zurückzugeben. Er nahm sie.
Die Neuen taten wieder nicht. Nun schickte er mich in ein Elektrogeschäft, die
Batterien von dort halfen auch nicht. So ging ich in einen Fotoladen. Dort
wurde mir bewiesen, dass das Problem nicht die Batterien sind, sondern die
Kamera. Nun fuhr ich zum Fotomechaniker. Weil er es frühestens in 18 Tagen
reparieren konnte schickte er mich zur Konkurrenz. Die Konkurrenz wollte gar
nichts wissen und schickte mich zur Werksvertretung in Hamburg. Die konnte es
auch nicht machen und telefonierte mit Fotomechaniker Nr. 1, aber da lag nichts
drin. Nun wollte ich sie ins Pfandleihhaus tragen und Geld kassieren, aber es
war niemand da, der Kameras taxieren konnte. Nun ging ich wieder in das
Fotogeschäft und kaufte eine neue Japanische und gab die alte in Zahlung. Den
Garantieschein schicke ich nach und sie lassen die Kamera auf Garantie
reparieren. Jetzt habe ich eine neue Kamera, die den Daten nach sogar besser
sein muss. Allerdings musste ich noch etwas draufzahlen. Die erste Kamera habe
ich für 250 DM gekauft und um 200 DM verkauft. Das geht ja noch. Ich hoffe,
dass dieses unglückselige Thema nun ein Ende hat.
Vor Rotterdam, den
8.6.66
Jetzt will ich nur ganz kurz schreiben. Ich weiß noch
nicht, wann das Schiff in den Hafen manövriert wird. Ich weiß noch nicht, wann
ich Hafenwache gehen muss. Deshalb will ich noch etwas filzen. Von gestern nun
das Neueste und Bedeutendste in Kürze. Ich wollte beim Funker noch Geld holen,
denn auf dem Schiff ist er der Zahlmeister. Leider fand ich ihn nicht und so
ging ich mit ein paar Mark nach Bremen in die City. Dort habe ich nach Post
gefragt. Dann wollte ich langsam zurück zum Schiff, um Geld zu fassen. Auf
diesem Weg lag das Übersee-Museum. In Stuttgart kostet die Besichtigung eines
Museums nichts und so trat ich ein, aber in Bremen kostet es etwas. Es war mir
egal, denn ich wollte die Zeit nützen. Es hat sich gelohnt. Ursprünglich wollte
ich den Rückweg gehen, aber von der Museumsbesichtigung war ich so müde, dass
ich nicht mehr zu Fuß gehen wollte. Als ich aber aus dem Museum heraus kam,
hatte ich kein Geld mehr, um mit der Bahn zurückzufahren, aber ich hatte noch sechs
Zigaretten. Ich verkaufte sie und fuhr mit diesem Geld zurück zum Schiff. Ich
bin schon wieder ein richtiger Seemann, alles verkaufen, bis wieder genügend
Geld verfügbar ist. J
Dass wir vier lebende Kühe als
Fracht an Bord haben, die mit nach Walvis Bai in Südwestafrika fahren, habe ich
noch nicht erzählt. Das erscheint mir momentan die größte Kuriosität. Der
Bootsmann füttert sie, mistet sie aus und sie werden auch von ihm gestriegelt.
Auf diesem Schiff ist eine
Abgasturbine. Vom ersten Schiff weiß ich über Abgasturbinen überhaupt nichts.
Ich schwimme nur so. Das wird sich ändern, ich hoffe es wenigstens. Im Moment
macht mir das noch etwas Kummer.
Das war der gestrige Tag und der
heutige bis 15 Uhr.
Nun will ich schlafen,
vielleicht schreibe ich später noch weiter.
Auf See, den 13.6.66
Bis jetzt waren wir immer in
Häfen, in ihnen geht immer alles drunter und drüber und dann hatten wir viel
Manöver, so dass wir ständig in der Maschine waren. Manchmal blieben nur 8
Stunden für Freizeit, die wurden dann zum Schlafen verwendet. In Rotterdam und
Antwerpen war ich dieses Mal nicht an Land. Ich habe auf Vorrat für die
kommenden Manöver geschlafen. Als ich mit dem Bananendampfer dort war, war ich
von diesen Städten ohnehin nicht begeistert.
Wenn ich in den Häfen an Land
gehe, werde ich mit dem Geld nicht geizen, aber mit vollen Händen werfe ich es
nicht hinaus. Schließlich werde ich nicht mehr dort hinkommen. Also will ich so
viel als irgend wie möglich sehen.
Heute habe ich mich zum
Schreiben aufgerafft. Der Dienst hier ist ziemlich anstrengend. Meistens tut
mir das Kreuz weh. Eigentlich wollte ich noch vom Übersee-Museum in Bremen
schreiben. Ich will es kurz machen. Im Übersee-Museum war eine Nachbildung der
Grabkammer der Pyramide und vor allem ein japanisches Teehaus mit Garten. Ich
war überrascht und glücklich es zu sehen, da ich ja nicht nach Japan komme, was
ich eigentlich ja wollte. Auch ein chinesisches Haus war im Original aufgebaut.
Natürlich war viel mehr von „Wilden“ aus aller Welt, wie Indianer, oder aus
Afrika, den Südseeinseln usw. zu sehen. Ich kann das in Kürze gar nicht alles
aufzählen. Ähnliche Gefäße, wie mein Räuchergefäß aus Südamerika, habe ich
gesehen, aber an die Exotik von meinem kam keines heran.
Auf See, den 15.6.66
Ich dachte, wir seien am 14. in
Las Palmas, jetzt werden wir erst morgen früh dort sein. Der ganze Aufenthalt
dauert nur eine Stunde, außerdem wird er in meine Wache fallen. Also kann es in
Las Palmas keinen Landgang geben. Dann kommen neun Tage Seetrip.
Ich hoffe, dass ich mit dem Film
manches von Afrika zeigen kann. Wenn der Film von der Entwicklung zurückkommt,
werde ich mit dem Filmschnitt eine Menge Arbeit haben. Im Moment bin ich
gedanklich oft mit dem Film beschäftigt. Ich hätte auch ein paar Ideen, aber in
der Kammer ist es einfach zu dunkel um darin zu filmen. Ich weiß auch nicht wem
ich die Kamera anvertrauen kann, damit er mich filmt.
Auf See, den 22.6.66
Es ist jetzt 0 Uhr 30 und ich
habe gestern Abend vor der Wache etwas geschlafen, da ich dementsprechend müde
war. Jetzt kann ich mir den Luxus leisten nicht gleich in die Koje zu gehen.
Nun will ich schreiben wie es
mir geht. Prächtig! Auf diesem Schiff ist gegenüber dem früheren alles Gold.
Die Perseus ist gegenüber der Krugerland ein Piratenschiff, aber gegenüber den
Panamesen, Liberianern usw. ist die Perseus wieder Gold.
Ich komme mit meinem Ing. gut
klar. Er sagt mir sogar, dass ich dies und das und jenes nicht so genau nehmen
müsste. Wenn er, damit sein Prestige nicht leidet, sich nicht ein kleines
bisschen distanzieren würde, dann wäre es das reinste Teamwork. Da ist der
Dienst nicht ein notwendiges Übel. Ich hätte nie gedacht, dass es auch solche
Schiffe gibt.
Im Gegensatz zu den Offizieren,
komme ich mit der Mannschaft nicht in Berührung. Ingenieure sind ebenfalls
Offiziere. Die Mannschaft besteht größtenteils aus Schlägertypen.
Zum Film habe ich wieder ein
paar gute Einfälle. Das Handhaben der Kamera ist übrigens nicht schwierig. Das
„Was“ ist eher schwierig.
Bei uns ist es jetzt recht warm.
In der Maschine hatten wir schon 39oC, an einigen Stellen hat es
natürlich ein paar Grad mehr. Heute Mittag wollte ich mich einmal sonnen, aber
ich wurde in ein technisches Gespräch verwickelt, so dass aus dem Sonnen nichts
wurde. Ich darf auch nicht lange in der Sonne sein, sonst bekomme ich einen
Sonnenstich. Wahrscheinlich sind wir bald am Äquator, wenn wir nicht gar schon
vorüber sind. Die Sauferei, Äquatorfeier genannt, war schon. Ich habe nichts
davon gespürt, ich fuhr ja schon einmal über den Äquator. Ein Matrose, der
zusammengeschlagen wurde kam in die Maschine, so dass wir merkten, dass die
Feier in vollem Gange ist.
In Afrika kann ich vielleicht in
den Krüger-National-Park gehen. Das wäre klasse. Ob ich in den Tierpark komme
hängt vor allem von meinen Kameraden ab.
Etwa 16 Stunden vor
Walvis Bai, den 25.6.66.
Es ist jetzt 1 Uhr 30. Ich habe
gestern Abend etwas Schlaf nachgeholt. Von 17 bis 19 Uhr 30 und jetzt bin ich
wieder von der Wache zurück. Die Uhr wurde heute wieder eine Stunde
vorgestellt, deshalb ist es schon so spät.
Heute Nachmittag konnte ich
endlich fliegende Fische auf den Film bannen.
Eine halbe Minute Filmdauer ist
das Ergebnis einiger Stunden gespannten Wartens. Da die fliegenden Fische so
weit weg waren, werden sie trotz Teleobjektiv im Bildausschnitt recht klein
sein. Vielleicht bekomme ich einmal einen noch näher vor die Kamera. Vorgestern
segelte einer in fünf Meter Entfernung vorbei. Er war in seinem schwerelosen
Flug herrlich anzusehen. Er hatte leicht rote Flügel und segelte wie eine
Schwalbe. Erst als ich den Fischschwanz sah, war ich mir sicher, dass es kein
Vogel, sondern ein Fisch war.
Dass ich mit meinem Ing. so gut
zurecht komme habe ich schon geschrieben. Abends gegen 10 Uhr macht er die
Bewegung des Trinkens. Das heißt für mich dann Tassen, Teekanne und Zucker
holen. In der Zwischenzeit macht er Wasser heiß und dann gibt es Tee, keinen
Schwarztee, irgend eine brasilianische Mischung. Dann trinken wir zusammen Tee.
Der Tee gehört nicht dem Schiff, sondern ihm persönlich. Heute konnte ich mich
revanchieren indem ich zwei Stücke Kuchen in die Maschine herunterbrachte. Er
hat die Augen verdreht und wurde auf einmal sehr gesprächig. Schnell war es
zwanzig vor elf Uhr und so wurde der Separator abgeschossen. Mit dem Separator
abschießen wird der Schmutz des Schmieröls vom Öl getrennt, separiert. Der
Ablauf der Zeit zwang mich wieder in den Rhythmus des Zeitplanes und unterbrach
die eben begonnene Tauperiode.
Zur Zeit plane ich meinen
Landgang, was ich sehen will und wie ich es filmen könnte. Ich überlege immer
noch, wie ich zu den „Wilden“ in den Busch komme. Vielleicht bekomme ich noch
eine Idee. Mit dem Funker, irgendwie zieht es mich zu den Funkern, wollte ich
in den Krüger-National-Park, aber anscheinend ist er gar nicht so gut wie die
anderen Tierreservate. So werde ich in ein anderes Tierreservat gehen.
Vielleicht kommen wir dann auch durch ein Eingeborenenreservat. Hoffentlich
sind meine Träume keine Schäume. Von Durban verspreche ich mir manches. Mal
sehen was daraus wird.
Es wird immer wieder vom Kapwein
gesprochen. Niemand kann etwas richtiges dazu sagen. Wie schon einmal erwähnt,
verstehen die Norddeutschen nicht viel von Wein.
Sonst gibt es eigentlich nichts
Neues, vielleicht weil ich mich schon an alles gewöhnt habe.
Ich glaube, ich habe noch nicht
erzählt, dass wir einen Chinesen haben, der als Wäscher fährt. Da fällt das
Selbstwaschen flach.
Langsam wird es kalt, die Luft
hatte heute Nacht nur 17oC, gegenüber vor ein paar Tagen 31oC.
Wir nähern uns dem Südpol. Walvis Bai liegt etwa auf dem 23. Breitegrad südlich
des Äquators. Der Südpol liegt bekanntlich auf dem 90. Breitegrad südlich des
Äquators.
Auf See, den 28.6.66
In Walvis Bai gab es nichts zu
sehen, und doch hatte ich zwölf Stunden, die ich voll ausgenützt habe, ja, ich
hätte noch mehr Zeit brauchen können. Wenn ich noch dazu komme, erzähle ich von
Walvis Bai, ich war nämlich in der Wüste. Ich freue mich auf Kapstadt, Durban
muss einen Teil von Tausend und einer Nacht bewahren und das Wildreservat, die
erlebnisreichste Zeit steht noch bevor. Morgen sind wir in Kapstadt. Dann geht
es wieder rund. In Walvis Bai habe ich für zwei Nächte etwa zehn Stunden geschlafen.
Von unserem Spaziergang in die Wüste erzähle ich vielleicht nach Kapstadt, aber
dann kommen schon wieder die Eindrücke von Kapstadt und den anderen
Hafenstädten, mal sehen.
Port Elizabeth, den
4.7.66
Mir geht es, von ein paar
Lappalien, die es immer einmal geben kann, abgesehen, immer noch gut.
In Kapstadt war es sehr neblig,
so dass ich den Tafelberg nicht sehen konnte. Hier ist ja jetzt Winter und
entsprechend regnerisch und früh dunkel. In Kapstadt war ich fast nur im
Malaienviertel und trotz des Regens war es herrlich. Obwohl es für
Andersgläubige streng verboten ist, habe ich in eine Moschee hineingesehen. Zum
Glück hat mich niemand erwischt. Anders als bei den christlichen Kirchen gibt
es in einer Moschee eigentlich nichts zu sehen. Von hieraus war ich gestern
zusammen mit dem Funkoffizier in einem Taxi in ein Wildreservat gefahren. Wir haben
eine Menge Elefanten gesehen. Mit ihren Jungen, Strauße, Antilopen, Affen,
Nashörner, Perlhühner und andere schöne Vögel. Es ist nicht immer leicht, diese
Biester zu filmen. Gestern war ich in einem Riesenaquarium mit dressierten
Delphinen und einem Schlangenpark. In dem Schlangenpark hatte es sehr schöne
Schlangen und andere fast urweltliche Reptilien.
Hier herrscht Rassentrennung, in
Laurenço Marques und in Beira, die wir
anlaufen werden, nicht. Über die Rassentrennung setze ich mich hinweg. Das ist
ja gesponnen, Farbige sind doch keine Menschen zweiter Klasse.
In das Tierreservat sind wir mit
einem Moslem und seiner Frau gefahren. Wir unterhielten uns sehr nett. Wir
versuchten noch über ihn in eine Moschee zu kommen, aber er ging nicht darauf
ein.
Durban, den 6.7.66
Nun will ich versuchen ein wenig von meiner Reise zu
schreiben. Am Besten fange ich in Walvis Bay an. Nachdem wir neun Tage lang
kein Land gesehen hatten, wurden so langsam wieder Vögel sichtbar. Ich musste
nun versuchen, am Flug zu erkennen, ob es ein fliegender Fisch oder ein Vogel
war. Schoss das schwarze fliegende Tier in das Wasser und kam nicht gleich
wieder zum Vorschein, war es ein Fisch. Da es nun Vögel gab, ging ich öfters
raus auf Deck und versuchte Land zu entdecken. In weiter Entfernung musste ein
Stück Holz schwimmen, das dann aber immer wieder von den Wellenbergen verdeckt
wurde. Aber irgend etwas stimmte nicht, denn manchmal war das Ding weg, obwohl
es wieder sichtbar hätte werden sollen. Dann sagte jemand es seien Seehunde,
aber so schnell lasse ich mich nicht auf den Arm nehmen. Es wäre tatsächlich
möglich gewesen, so runde schwarze Dinger waren es. Nachdem wir nun näher
rankamen, sah ich, dass es tatsächlich welche waren. Wenn sie genug gesehen
hatten, die Glatze langsam trocken und der Schnauzbart abgetropft war, machten
sie alles von neuem nass und zeigten dann ihr gutmütiges Opagesicht wieder. Die
Vögel wurden nun auch zu Scharen. Und im Nebel konnte ich am Horizont einen
etwas dunklen Streifen ausmachen, das war Land. Als wir näher an Land kamen
wurde das Wetter plötzlich besser. In strahlendem Sonnenschein lag ein gelbes,
leicht welliges Land vor uns. Dieser gelbe Streifen, der sich nun vom
sonnenbeschienenen Weiß des Meeres abhebt, wird durch eine handbreite Stadt
unterbrochen. Langsam riecht man auch schon die kleine Stadt. Die Vögel, von
denen vorher die Rede war, sind Kormorane und haben den Zweck, Fische zu
fressen und was davon wieder in Erscheinung tritt wird als Dünger exportiert.
So ist zum Beispiel Chile-Salpeter nichts anderes als Kormoran-Kot. Das riecht
man sehr gut. Vor dem Strand ist eigens ein „Tisch“, ungefähr hundert Meter
lang, auf dem wird der Dünger der Kormorane gesammelt.
Wir liefen abends ein. Ich habe
mich Schlafen gelegt, da ich keine Manöverwache hatte. Als ich geweckt wurde,
gingen die ersten Neger auf dem Deck herum. Eigentlich nichts besonderes, bei
uns gibt es ja auch Neger, aber eigenartig ist, wenn ich auf sie zukomme,
werden sie irgendwie nervös und weichen aus. Die Weisen sind etwas viel
besseres und die Neger haben zu kuschen, weil sie ja in ihrem eigenen Kontinent
sind.
Durch meinen Kontakt mit dem
Funker hatte ich dann am darauffolgenden Sonntagmittag das Glück, mit einem
Deutsch-Afrikaner im Lastwagen in die Umgebung zu fahren. Nach ein paar Minuten
hatten wir Walvis Bai verlassen und waren mitten in der Wüste. Nur eine Straße
zieht sich der Küste entlang, schwarz wie die meisten Straßen. Der Straßenbelag
ist jedoch kein Asphalt, sondern verunreinigtes Salz. Das ergibt bei Regen entsprechende
Schwierigkeiten. Die Sonne gab sehr viel ihrer guten Wärme her, dass ich das
erste Mal etwas Farbe bekam. Der Sand, der links und rechts der Straße liegt
und nur zum Meer hin vom Wasser überdeckt wird, wird in der anderen Richtung
nur durch die darauffolgende Düne noch unterstrichen. Ab und zu ist die Straße
mit Sand zugeweht. Die einzige Abwechslung sind die Schatten der Dünen, mit denen
sie sich zudecken. Das sieht sehr schön aus, leider erst abends, wenn die Sonne
schon schräg steht. Wir hielten an um Diamanten zu suchen. Tatsächlich sind
auch einige Diamantfelder abgesteckt. Außer schönen habe ich keine edlen Steine
entdeckt. Obwohl die Wüste ein einziges Gelb scheint, sieht sie von nahem ganz
anders aus. Je nach dem glitzert es oder kommt ein roter Stein oder sonst etwas
Unerwartetes zum Vorschein. Ganz kleine Pflanzen und Kamillen sind immer wieder
irgendwo, für Durstige, die lieber als pures Wasser Kamillentee trinken
möchten. Ich habe mir zwei besonders eigenartige fleischblättrige Pflanzen
ausgegraben und in eine Konservendose gepflanzt. Aber das Kap der guten
Hoffnung ließ die Hoffnung schwinden, dass ich sie heil nach Hause bringe, denn
wir hatten Windstärke 8! Nach erfolgloser Diamantsuche und Heuschreckenjagd
brauchten wir einen Kaffee. Deshalb ging es nach Swakopmund. Das ist ein etwa
20 km nördlich von Walvis Bai an der Küste gelegener Ort. Er ist vor allem
durch sein Flamingoparadies und seine Salzgewinnung aus dem Meer bekannt.
Leider habe ich das erst später erfahren. Swakopmund hört sich sehr
fremdländisch an, aber abgesehen von den vielen Negern, bist du in Deutschland
so etwa anno 1900, allerdings mit den neuesten deutschen Schlagern, aber nicht
der heimatlose Freddy, sondern was bei uns in Deutschland eben auch neu und
modern ist. Zum Kaffee trinken traten wir aus dem Sand über die Schwelle eines
Cafes und setzten uns an den Tisch. Darauf erschien an unserem Tisch eine Negerin
und fragte zu meinem Erstaunen in bestem Deutsch: „Was wünschen Sie?“ Ich
wünschte Kaffee und Kuchen. Darauf fragte sie: „Apfel oder Pflaumenkuchen?“ In
Swakopmund redet man Deutsch. Es ist eine deutschsprachige Enklave. Im
Heimatmuseum ist alles deutsch und englisch beschriftet. Im Gästebuch gibt es
sehr viele deutsche Einträge. Verrückt in dieser deutschen Sprachinsel ist,
dass es kaum Bier gibt, nur zu bestimmten Zeiten und nur in bestimmten Lokalen.
Alkohol gibt es nur in Hotels, Restaurants oder Bars. Aber Bar kann der
mieseste Schuppen sein. Die Namib-Wüste hinter der Walvish Bay und Swakopmund
ist vom Meer ins Landesinnere hundert Kilometer breit. In der Ferne sah ich
leicht Berge, wie wenn man von uns aus die schwäbische Alb sieht. Bevor wir umdrehten,
waren wir wahrscheinlich schon durch die halbe Wüste gefahren.
Am Montag trieb es mich in das
Negerviertel. Schwarze und Weiße leben absolut getrennt. Überall ist „White
only“ zu lesen. Wo früher ausgediente Güterwagen standen, ist heute das Negerviertel.
Es ist eine vom Staat gebaute Siedlung. Jede Familie hat ihr Haus für sich. So
ein Haus ist kleiner als bei uns ein normales Zimmer und ringsherum feiner,
heller, knirschender Sand, Sand und nochmals feiner, heller, knirschender Sand.
Es ist kein erquickendes Bild.
Heute habe ich es in Durban noch wesentlich schlimmer
gesehen. Eigentlich hätte ich nicht allein durch die Slums hindurchgehen
sollen, aber ich tue niemanden etwas, also tut auch mir niemand etwas. Ich
wurde vom Anfang der Siedlung bis zu ihrem Ende angestarrt. Dass ein Weißer
dort ist war unverständlich und ließ nichts Gutes ahnen. So passierte es mir
einmal, dass ein zweijähriges schwarzes Kind, aus dessen Gesicht die Augen wie
weiße Kugeln strahlten, auf mich zukommen wollte, aber plötzlich von dem ein
Jahr älteren Bruder vor dem weißen Ungeheuer zurückgerissen wurde. In der Seele
der Schwarzen sind Weiße gefährliche Ungeheuer.
Die ersten beiden Tage in
Afrika, von denen ich nun berichtet hatte, waren um und unser Schiff zog weiter
nach Kapstadt.
Kapstadt, das sehr schön liegt,
war solange wir dort waren in winterlichen Regen und Nebel gehüllt. Von dem
beeindruckenden Tafelberg war nichts zu sehen, das heißt, der Fuß war zu sehen,
aber der obere Teil war von einem dichten Nebelschleier verhängt. Kapstadt hat
viele Reize, vor allem die herrliche Lage. Das meiste ist am Berg gebaut und
sieht in die blaue Meeresbucht. Aber für mich gab es nur eines, das
Malaienviertel. Ich habe ohne einmal zu sitzen einen vollen Nachmittag dort
verbracht. Das Malaienviertel liegt ziemlich steil an einem Hang. Die Häuser
schimmern in allen Pastellfarben die es gibt, von wasserblau mit weiß über grün
und gelb bis lila. Dazwischen sind immer wieder Moscheen, von deren Minarette
der Muezzin zum Gebet ruft. Eigentlich ist es sehr schwer in Kapstadt zu
filmen. Halte ich die Kamera hoch, kommen Kinder und rufen die anderen herbei
und im Nu bin ich eingekreist. Alle wollen fotografiert werden und dementsprechend
Geld bekommen. Ich wollte in eine Moschee gehen, aber so unbemerkt wie möglich.
Leider wurde es durch die Kinder immer wieder vereitelt. Dann ging ich ohne zu
filmen zur nächsten Moschee. Ich lugte nach dem Eingang und nach der Umgebung.
Husch war ich hinter der Türe in der Moschee verschwunden und da empfing mich
gleich eine Tafel: „Für Andersgläubige verboten“. Ich trat noch zwei Schritt
weiter, wenn ich schon drin war wenigstens etwas mit den Augen zu erhaschen.
Der Eingang ist in Steinfliesen verlegt. Der eigentliche Gebetsraum mit einem
roten Teppichboden ausgelegt. Da wo der Teppichboden beginnt, stehen
Holzschuhe, mit denen der Teppich betreten werden darf. Sonst gibt es so gut
wie nichts zu sehen. Bilder oder sonst etwas gibt es nicht zu sehen. Der Raum
wird nur durch maurische Fensterbogen erhellt. Das einzige, was es gibt, ist
eine Kanzel und ein kleiner Torbogen, ähnlich wie eine spanische Wand oder die
Bilderwand bei einer russisch orthodoxen Kirche. Was hier geschieht weiß ich
nicht. Kein Altar oder Tisch, keine Kerzen, Blumen, nichts. Der einzige Schmuck
sind Papierschlangen, wie wir sie in der Karnevalszeit an der Decke haben. Die
Malaien sind arm und gehen wie die Neger in Fetzen herum. In dem ganzen Viertel
habe ich nur ein neues schönes Haus gesehen. Dafür sind die Mädchen ziemlich
hübsch. Ein Wortwechsel ist so gut wie nicht möglich, denn wie an unserem
Anschlagbrett auf dem Schiff steht, ist jeder gesellschaftliche Verkehr mit
Farbigen aller Schattierungen verboten. Zuwiderhandlungen werden mit zwei
Jahren Steinbruch bestraft. Ich habe die beste Zeit meines Lebens schon mit
Steinbruch belegt, wenn man mich jeweils immer erwischt hätte. Abends ging ich
in Kapstadt noch zum Essen in das Waldorf-Restaurant.
Dann zog unser Schiff weiter
nach Port Elizabeth. In Port Elizabeth kam der Funker in die Maschine.
Eigentlich kommt so etwas nicht vor. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn, was er
in dieser branchenfremden Gegend suche. „Ja, da sind Sie ja, haben Sie Lust den
Ado-Elefantenpark zu besuchen?“ kam es unerwartet an mein Ohr. Ich war
natürlich dabei. Bei Nieselregen ging es los nach einem Mietwagen zu suchen.
Leider war schon Geschäftsschluss. Da es regnete fuhren wir mit einem Taxi von
einer car-hire zur anderen um einen Wagen zu mieten. Nun fragten wir den
Taxifahrer, was er wolle. 8 ₤. Der Nächste wollte 7,15
₤. Dem Elektriker, der auch noch mit von der Party
war, war es nun zu bunt. Er wollte nicht mehr und ging zum Biertrinken. Nun
suchten wir das nächste Taxi. Da haben wir nun den Preis auf 6 ₤
heruntergehandelt. Bis jetzt war alles normal. Der Fahrer sagte, dass er kurz
Bescheid sagen wolle. Er kam wieder aus dem Haus und sagte, dass wir in ein
anderes Auto umsteigen sollten. Nun fuhr uns, wie wir nachher feststellten,
sein Bruder. Hinterher kam seine Frau mit dem Jüngsten auf dem Arm, das weinte,
weil es aus dem Mittagschläfchen gerissen worden war. Dann stellte er uns seine
Frau vor und sagte, sie könne doch mitfahren. Höflichkeitshalber sagten wir
nicht nein. Tatsächlich hatten wir nun das Glück, dass wir uns mit beiden recht
gut unterhalten konnten. Es war richtig freundschaftlich. Wir erzählten auch
gleich, dass wir von der Rassentrennung nicht eingenommen sind und eine Basis
für die Unterhaltung war gegeben. Er wollte uns von Freund zu Freund noch ein
paar Mädchen besorgen. Vielleicht wollte er damit das Trinkgeld anheben,
glücklicher Weise erschien er nicht wieder. Im Ado-Elefantenpark sahen wir
Elefanten mit ihren Jungen, raufende und friedlich trampelnde Elefanten. Wir
sahen auch Strauße. Einer war ganz nah und als er uns bemerkte, kehrte er uns
den Rücken zu und ging wie eine aufgescheuchte alte Jungfer mit wippendem Federkleid
davon. Es gab Rudel von Antilopen. Einmal kamen wir auch an eine Antilope sehr
nahe heran. Sie glotzte uns wie eine Kuh an und schlich beleidigt davon, wie
wenn sie sagen wollte: „Was wollt ihr den hier, das ist doch mein Revier, ich
geh ja schon, ihr seid mir doch überlegen.“ Ab und zu sah ich Rebhühner und
einmal einen wunderbaren Vogel mit einem Federkamm auf dem Kopf und einem
langen Schwanz. Leider erwischte ich ihn mit der Kamera nicht. Ich musste immer
blitzschnell sein, der Fahrer musste vorsichtig das Auto anhalten, ich die
Scheibe runterkurbeln, Kamera einstellen. Bis ich das erreicht hatte, waren die
Viecher meistens weg, wenn nicht das anhaltende Auto sie schon verscheucht
hatte. Auf dem Rückweg huschte irgend etwas über die Straße. Ich sagte, es
hätte ein Hase sein können, ich hatte nur die letzte Hälfte des Leibes gesehen.
Wie wir dann näher herankamen bemerkten wir, dass es Affen waren. In einem Baum
hatten sie ihr Lager aufgeschlagen, da wir aber trotz ihres Geschreis nicht
weichen wollten, verließen ihr Lager. Weit weg, im vom Abendlicht noch
erhellten See, sahen wir zwei Nashörner die Köpfe aus dem Wasser strecken. Es
war ein herrlicher Tag und nachdem wir Port Elizabeth im Taxi verlassen hatten,
verließen uns auch die Regenwolken und der ganze Nachmittag war schönstes
Wetter. Der Blitz, wie der Elektriker auch genannt wurde, hat sich geärgert
weil er nicht mitgegangen ist.
Am zweiten Tag in Port Elizabeth
war ich im Aquarium, in dem ein Delphin-Zirkus ist. Die Delphine machen die
elegantesten und graziösesten Sprünge. Das Ganze ist anmutiger als das schönste
Ballett, so fließend sind die Bewegungen und das nur, um einen Fisch zu erhalten.
Auch dieser schöne Tag ging zu
Ende und die Krugerland lief nach East London aus. East London ist der letzte
Hafen vor Durban, wo das zweite Zuhause eines Großteils der Besatzung ist. In
East London lagen wir nicht lange und laut Beschreibung soll East London sehr
interessant sein. Ich werde es nicht so schnell vergessen, aber aus einem ganz
anderen Grund.
Ich hatte Hafenwache und
schaute den Landgängern nach. Irgendwann sah ich an der Gangway eine Tafel
„Ende des Landgangs 15 Uhr“. Später war 15 Uhr in 16 Uhr geändert. Ich ging an
Land, jetzt war das Ende des Landgangs schon auf 17 Uhr geändert. Nachdem ich,
an meinen verwöhnten Augen gemessen, in ziemlich langweiligen Straßen
herumgegangen war, ging ich ein Bier trinken. Ich kam mit einem Deutsch-Afrikaner
in eine Unterhaltung über Schwarze und Weiße, über Deutschland und sonst noch
alles mögliche. Schließlich sagte ich zu ihm, dass das Schiff auslaufen würde
und ich deshalb gehen müsse. So sehr beeilen wollte ich mich nicht, denn es
läuft ja immer ein paar Stunden später als angekündigt aus und ich hatte mich
mit ihm angeregt unterhalten. Schließlich verlies ich ihn und ging gemütlich
zum Schiff. Als ich es sah, hörte ich, wie schon einmal, „Muss i’ denn, muss i’
denn zum Städtele hinaus“ gespielt wurde. Ich dachte bei mir, einer der
Matrosen spinnt wieder einmal und lässt seinen Plattenspieler auf voller
Lautstärke laufen. Trotzdem der Rhythmus ging ins Blut und ich marschierte auf
die Musik. Der zweite Offizier stand an Deck und lachte, wie er mich sah. Ich
meinte, weil ich auf die Musik so zünftig marschiere. Jemand anderes fuchtelte
mit seinen Armen herum und wurde immer hektischer; na, ja die Seefahrt.
Plötzlich stellte ich fest, dass die Gangway schon eingeholt war. Damals wusste
ich noch nicht, dass dieses Lied immer beim Auslaufen gespielt wird. Das Schiff
hing gerade noch am letzten Tau. Jetzt spurtete ich aber so schnell wie ich nur
konnte. Keine Minute später und das Schiff hätte abgelegt gehabt. Gegen einen
Kasten Bier wurde mir die Jakobsleiter heruntergelassen, an welcher der Lotse
immer an Bord kommt. In der Hand trug ich eine Single-Schallplatte und an den
Füßen Holzpantinen. Für die Jakobsleiter brauchte ich freie Hände und an den
Füßen keine wackeligen Pantinen. Ich steckte die Single in mein Hemd, nahm die
Pantinen von den Füßen und warf sie, eine nach der anderen auf das Deck. Im
allerletzten Moment kletterte ich an der Jakobsleiter mit Hilfe der Kollegen an
Bord. Hätte ich es nicht geschafft, wäre ich die halbe Reise umsonst gefahren,
weil ich mit dem Taxi oder Flugzeug dem Schiff auf eigene Kosten hätte
nachreisen dürfen. Als ich an Bord angekommen war, war ich wie betrunken. Bis
der Schreck überwunden war, dass das Schiff schier gar ohne mich ausgelaufen
wäre, wusste ich nicht wo Vor- oder Achterschiff war und wo Back – oder
Steuerbord war.
Nun ging es zum vielberedeten
und gepriesenen Durban.
Bei der Ankunft in Durban
hatte ich Dienst und ging wieder Wache. Dann machte ich mich zur ersten
heiligen Handlung fertig, die fällig ist, wenn das Schiff angelegt hat und ich
noch Dienst habe. Die Dienstanweisung heißt: Im Schornstein hochklettern und
den Auspuff abdecken, mein Anliegen ist aber aus höchster Höhe die neue
Umgebung zu betrachten. Durban liegt schön. An einer Seite ist es vom Meer begrenzt,
von der anderen von einem Wald. Gleich in allernächster Nähe standen
Hochhäuser, nein Wolkenkratzer, das gibt es in den großen afrikanischen Städten
mehr als bei uns.
Sie erscheinen mir unendlich
hoch und breit. Der Stuttgarter Tagblattturm wäre in Kapstadt oder Durban ein
ganz normaler Bau.
Gleich am Hafenausgang warteten
1MS-Taxis. Das sind 1 Mann-Stärke–Taxis oder in anderer Sprache Rikschas. Der
eine Mann des Taxis ist ein Zulu, der wenn er nicht so farbenprächtig wäre, wie
eine aufrecht gehende Kuh aussieht. Die Zulus mit ihren Rikschas hüpfen wie
eine aufgeregte Kuh. Der Kopf ist von zwei oder vier Kuhhörnern und reichlich
buntesten Perlen besticktem Kopfputz geziert Am Bauch oder an den Beinen hängen
Felle und Muscheln, um die Fesseln prangen eventuell noch Silberspangen. Mit
viel Gepfeife, Geschrei, Armwedeln und nötigenfalls noch die Mimik von sich
aufbäumenden Pferden wird zu einer Fahrt eingeladen oder wenigstens für ein
paar Cent zum Fotografieren. Das Geld, das man ihnen gibt, ist immer zu wenig.
Wenn ich ihnen fünf Mark geben würde, würden sie das Doppelte verlangen.
Natürlich ging ich in Durban wieder mit dem Funker an Land, schon wegen Visa
für den Krüger-National-Park. Wie dies ausgeht steht noch in den Sternen. Nach
weniger erfolgreicher Umschau trennten wir uns. Ich ging zum indischen Markt.
Es gibt nicht wenig Inder in Durban. Nachdem ich zehn Minuten gegangen war, kam
ein Inder und fragte mich:
„Swedish?“
„No German.“
„You are comming with the boat?“ usw.
Ich fragte ihn nach dem
Indischen Markt. Er hatte anscheinend den gleichen Weg. Er sprach viel von den
anderen Schiff unserer Reederei, einem, das auch hier in Durban liegt und von
deutschen Radios, Kameras und was weiß ich noch alles bis wir beim Indischen
Markt waren. Er führte mich zu seinem „Freund“. Ich bekam den Eindruck, dass es
bei den Indern nur Freunde gibt. Davon gleich mehr. Ich dachte, wenn ich mich
bedanke ist alles in Ordnung, aber er wollte Geld für seine Führung. Von außen
ist der Indische Markt nur ein offener Eingang wie in einen Laden oder in einen
Hinterhof. Gleich steigen die ersten Düfte von Gewürzen in meine Nase. Ich
befinde mich in einer Halle, wie in der Stuttgarter Markthalle. Bei dem
indischen Freund angekommen wurde ich ihm vorgestellt:
„German, Krugerland“.
„Ah, Krugerland, good day my friend.“
“I have much friends from Krugerland and Kapland and
Moselbay.“
Kapland und Moselbay sind Namen
von anderen Schiffen unserer Reederei.
„All from Krugerland come to me.“
Dann zog er ein Heft hervor, in
dem ich unsere halbe Schiffsbesatzung verewigt fand, sowie Namen der Besatzung
von den anderen beiden Schiffen.
„What do you like, tigereyes, ivory, elephants?“
“Please give me time”
Als ich dann nach dem ersten
Stück fragte, stellte er eine Limonade hin: „For you my friend.”
Das erste Stück kostete dreizehn
Südafrikanische Rand, so stand es wenigstens auf dem Etikett. Er sagte: „13
Rand, but for you 10,50 R. Nun war ich sein Freund. Ich wollte ja gar nichts
kaufen, nur weil das Zeug so schön ist. Weil ich das nächste Mal wiederkomme
und sein Freund bin, bekomme ich es dann auch billiger. Ich hatte ja gar kein
Geld für diesen Luxus und außerdem war es viel zu teuer. Dann machte er wieder
einen Preis für mich, seinen Freund und ich fing bei 8 R. an, nur es war jetzt
etwas anderes und der Preis war mit 22 R. angesetzt. Mit „das ist das letzte
Angebot“ und „ich habe fast keinen Verdienst“, wurden wir uns bei 12 R. einig.
Das war Gestern. Heute war ich nochmals beim Indischen
Markt und beim Zulu-Markt. Auf dem Zulu-Markt ist ein Geschrei wie bei einem
Boxkampf. Auf dem Markt treffen sich Städter und Landleute. Die Zulu rennen mit
ihrem Ohrenschmuck umher, mit Silberspangen an den Fesseln, die Kinder mit
einem Tuch auf den Rücken gebunden. Als Weißer unter Schwarzen ging ich
ziemlich schnell über den Markt. Was ich sah mutete sehr primitiv an. Fast
alles spielte sich nur auf dem Boden ab. Dort liegen Gewürze, Fleisch und
Fisch, aber auch Petroleumlampen. Auf dem Markt wurden auch Felle gegerbt oder
Schuhe repariert. Friseure gibt es mehr als genug für Frisuren, wie es die
Weißen tragen aber auch für Frisuren, wie es die traditionellen Zulu haben. Bei
einem Zulumädchen sah ich zu. Es sieht so aus als ob der Friseur oder die
Friseurin mit einem Bindfaden die Frisur nähen würde. Wie das geht, weiß ich
nicht, jedenfalls wird mit einem Faden in den Haaren genäht und am Schluss
kommt ein spiralförmiger Scheitel heraus.
Ich bin in irgend etwas geraten, das man Volksspeisung
nennen könnte. Die Zulu gingen in beiden Händen mit Holzkannen umher, in denen
2 Liter einer dunklen Brühe war. Vielleicht Kaffee, vielleicht Bohnensuppe,
durch riechen konnte ich es nicht herausbekommen.
Ein andermal wollte ich, um den Weg abzukürzen, durch eine
schmale Gasse, durch die ich gestern gegangen war. Dabei bin ich auf einen
Hinterhof geraten, der von Indern bewohnt war. Ich hatte die Kamera offen in
der Hand. Bei einer guten Gelegenheit hätte ich gefilmt. Irgendwie wollte ich
nicht weiter und dreht um, da wurde ich angehalten, was ich wolle. Als ich ihm
verdeutlicht hatte, dass ich mich verlaufen hatte, konnte ich mich wieder recht
frei bewegen. Trotzdem konnte ich einen leichten Blick in eine indische Wohnung
erhaschen. Sehr ordentlich war es nicht. Es war nur ein Blick aus den Augenwinkeln,
denn niemand sollte etwas merken.
Etwas müde von dem nachmittäglichen Ausflug wollte ich ein
Bier trinken und ging in ein besseres Lokal. Ich wusste ja noch nicht, ob es
überhaupt Bier gab, das es in Süd-Afrika ja nicht überall gibt, und wünschte
die Karte. Es war aber die Speisekarte. Ich sagte mir „all right“ einmal gut
essen ist auch nicht schlecht, das krönt den Tag. Auf Wiener Schnitzel oder
Eisbein mit Sauerkraut hatte ich keine Lust und fragte nach einer südafrikanischen
Spezialität. Es war Crayfish. Einmal
Crayfish. Ich wartete der Dinge, die da kommen sollten. Als sie da waren,
schmeckten sie ganz ausgezeichnet. Es waren Langusten mit Pilzen, Tomaten,
Reis, grünem Salat und Zwiebeln. Es hat herrlich geschmeckt. Jetzt hatte ich
Appetit bekommen und bestellte noch Käse und Rotwein und zum Schluss noch
Fruchtsalat und einen Kaffee, was ich neuerdings sehr gut vertrage. Als ich
bezahlt hatte, stellte die Bedienung ein Paket auf den Tisch mit der Frage
Crayfish. Ich bejahte. Ich dachte, dass ich die leeren Schalen bekomme, die ich
ohnehin vorher schon an mich bringen wollte, anderseits hatte sie auch etwas
geredet von Crayfish als ich die Portion aufgegessen hatte. Möglicherweise hat
sie mir den Rest mitgegeben, der eigentlich noch zu der Portion dazu gehört hatte.
Wie es sich tatsächlich verhält weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich sieben
Langusten im Kühlschrank.
Ich muss mal sehen, ob sie noch da sind.
Jetzt bin ich wieder zurück. Die lieben Tiere sind noch
da. Eben habe ich den Koch getroffen, er sucht seinen Kammerschlüssel. Der Koch
soll die Langusten morgen kochen, dann werde ich sie mit meinem Ing. essen. Der
wird sich freuen. Eigentlich wollte ich sie mit dem Funker essen, aber der mag
sie nicht. Der Funker hat noch eine Flasche Rotwein, die wollen wir miteinander
trinken, weil ich ihm einmal in seinem Lager geholfen habe. Es ist jetzt halb
drei, ich will jetzt einmal sehen, ob noch alles in Ordnung ist. Ich bin jetzt
auf Wache und verbringe die Zeit mit Schreiben.
Dies war nun ein Bericht der letzten Zeit. Ich habe nicht
geglaubt, dass ich ihn noch zusammenbringe. Gestern Abend habe ich angefangen
und dann so elend Kopfweh bekommen, dass ich im Waschraum auf dem Boden lag und
geschlafen habe; ohne Komplikationen, trotz Wache, denn der diensthabende Ing.
hatte Besuch.
In Durban war ich in der größten Moschee der südlichen
Hemisphäre. Sie war dreistockig. Im Erdgeschoss war, wie zu erwarten, der
Betraum. Was im zweiten Stock war, weiß ich nicht mehr, aber der dritte Stock
war ein Sportfeld für die Jugend auf dem Flachdach der Moschee. Eine Moschee
ist mehr als ein Bethaus, sie ist ein Zentrum. Wenn man auf die Toilette will,
braucht man nur eine Moschee zu suchen. Die Koranschule ist in der Nähe und
dann gibt es auch immer Läden im Bereich um die Moschee.
Lorenço Marques, den 18.7.66.
Nun waren wir eben in Beira, wo ich nicht an Land war, und
sind nun von Beira zurück in Lorenço Marques.
Von Beira aus wollte ich in ein Wildreservat, das wurde
mir vermasselt. Auch die Ing’s waren nicht an Land, jeder war ziemlich grätig.
So bin ich auch mit meinem Ing. nicht schlecht zusammengerasselt. Ich bin
übergekocht, aber ich glaube, dass es jetzt wieder eingerenkt ist. Er wollte
mich schikanieren, aber ich ließ es mir nicht gefallen. Jetzt will ich sehen,
dass ich noch einmal in ein anderes Wildreservat komme. Hoffentlich klappt es
nun entweder hier in Lorenço Marques oder
auf der Rückfahrt in Durban.
Als ich hier das erste Mal in Lorenço
Marques war, kam ich mehr oder weniger zufällig, eine gewisse Neugier
habe ich ja immer, wenn ich unterwegs bin, in eine Moschee. In der Moschee
waren Moslems zum Gebet. Ich habe einer Tafel entnommen, dass man die Moschee
betreten darf. Ich war wieder einmal glücklich. Auf der Tafel stand so etwas
wie Besucher Schuhe ausziehen. In dieser Moschee habe ich mehr gesehen. In
einem Vorhof sind Stufen, auf denen die Schuhe der Besucher stehen und meine
blieben auch dort. Als ich in die eigentliche Moschee trat, war rechts ein Raum
mit nichts als Waschbecken. Dort reinigen sich die Moslems wahrscheinlich vom
Schmutz der Welt. Dann gehen sie erst in den ersten Vorraum, dann in den zweiten
und dann in den Hauptraum. Zutritt haben nur Menschen männlichen Geschlechts,
denn nach der Auffassung der Moslems haben Frauen keine Seele. Da waren alte
Männer und vielleicht 8-jährige Jungen, alle begingen das gleiche Zeremoniell.
Du denkst jetzt wahrscheinlich, dass sie alle auf den Knien lagen und sich zum
Boden beugten. Ja auch, aber das ist nicht alles. Sie küssen den
teppichbelegten Boden, dann richten sie sich wieder auf, legen die Daumen
hinter das Ohr, spreizen die Finger, als ob sie mit Elefantenohren hören
wollten was ihnen Allah sagt. Der Kopf muss bedeckt sein, ein Taschentuch
genügt. Nun beten aber nicht alle gleichzeitig dasselbe, wenn der eine steht
und „hört“, küsst vielleicht der andere den Boden und ein weiterer ist
vielleicht erst beim Waschen. Für Außenstehende geht alles durcheinander. Ich
will versuchen, ob ich es einmal filmen kann, vielleicht klappt es. Ich hoffe
nicht, dass es mir wieder so geht wie ich beim Indischen Markt in Durban in
einen Hinterhof geraten war.
In der Moschee habe ich mich mit einem Moslem
ausgetauscht, er hat sogar das Thema Papst bei mir angesprochen. In Mocambique
habe ich auf dem Markt eine Tonflasche erstanden, wie ich eine in der Mosche
gesehen habe, ein ästhetisches Juwel, eine Kugel und ein schlanker, langer
Hals.
Da fällt mir gerade ein, vom Rauschgift habe ich Dir noch
nichts geschrieben. In Durban bin ich einer Negerin mit der Filmkamera
nachgestiegen, bis ich sie vor die Linse bekam, ohne dass sie es merkt.
Jahrzehnte
später hat sich herausgestellt, dass sie so etwas wie eine Priesterin der Magie
war. Sie verlangte, dass ich die Filmsequenz, auf der sie zu sehen war,
verbrenne, was ich dann auch tat.
Mein Filmbegehren sahen die Händler vom Indischen Markt.
Sie sagten, ich solle sie doch filmen, aber ich hatte sie nie so wie ich
wollte. Irgend wann klappte es und dann kam ein etwa 15-jähriger Inder, der
selbst für asiatische Verhältnisse etwas zwielichtig schien, auf mich zu,
nachdem er mir zuvor gesagt hatte, ich solle filmen. Er griff in seine Tasche
und sagte: „coka, coka“. Er sprach auch vom Wunderland oder so ähnlich und von
in Tee tun. Ich sagte: „Kokain“, aber da hat es bei ihm nicht geschaltet. Sein
Oberarm blieb ganz unbeweglich nur ab dem Ellenbogen schob sich sein Arm mir
entgegen und er drückte mir ein Brief mit dem Pulver in die Hand mit der
Bemerkung: „Pocket“. Nach einem kurzen Blick auf das seltsame Handelsobjekt tat
ich es in meine Tasche, während die schwarzen Augen meines Handelspartners die
ganze Umgebung nach unliebsamen Zuschauern kontrollierten. Nachdem er mir nicht
verdeutlichen konnte was es ist, und eine ungewöhnliche Verkaufspraxis an den
Tag legte, gab ich das Zeug wieder zurück. Nun wollte er mir ein noch größeres
Quantum anbieten. Für mich war dieses Handelsgeschäft passé.
Ich ging dann weiter ohne die Begleitung des seltsamen
Wunderpulverhändlers. Nun will ich sehen, dass ich bei den Zulus noch filmen
kann. In Moçambique herrscht übrigens keine Rassentrennung.
Vielleicht komme ich noch in einen Kral oder in eine Wellblechcity.
So ganz wohl ist mir bei dem Gedanken nicht, wenn ich die Negermamis, ihre
Kinder in einem Tuch auf dem Rücken tragend, filme.
Letzten Sonntag war ich in Lorenço
Marques bei einem portugiesischen Stierkampf. Ich will nicht den ganzen
Stierkampf schildern, denn davon verstehe ich nichts, aber den Schluss muss ich
erzählen.
Nachdem der Stier entsprechend gepiesackt worden war und
das Schiedsgericht durch ein Trompetensignal angekündigt hat, kommen aus dem
Loch, wo am Anfang der Stier herausgekommen ist, ungefähr 10 Kühe mit
Kuhschellen heraus. Die rennen mit ihrem Gebimmel einmal in der Arena herum und
der vorher so erboste Stier rennt mit der Herde wie ein verlorenes Schaf mit
und fühlt sich so unter den Kühen geborgen. Er geht mit der Herde wieder in das
Loch, aus dem er und die Kühe gekommen waren. Dann kommen zwei schlaksige
halbuniformierte Neger mit langen Stangen und treiben die Kühe, die keine Lust
haben zurückzukehren, in das Loch.
Kapstadt, den 6.8.66
Im
Schiff, am schwarzen Brett stand genaugenommen nicht jeglicher
gesellschaftlicher Verkehr mit Farbigen aller Schattierungen ist verboten, es
hieß jeglicher gesellschaftlicher und Geschlechtsverkehr mit Farbigen ist
strengstens verboten und kann mit Steinbruch bis zu zwei Jahren geahndet werden.
Allein schon dieses menschenentwürdigende Verbot war Anlass genug, mich gegen
eine solche Gesellschaft zu erheben. Ich ignorierte es und fuhr zum Beispiel
nicht bei "white only" sondern bei
den Farbigen.
Seit Durban war ich dauern auf Achse. Jetzt nach Durban
gibt es laufend Manöverfahren. Bei meinem Besichtigungsprogramm bleibt oft
nicht mal richtig Zeit zum Schlafen. Laut Fremdenführer habe ich alles gesehen,
was ich sehen wollte. Ich habe sogar noch mehr, nicht nur Sehenswürdigkeiten,
gesehen. Ich konnte auch Atmosphäre riechen.
Habe ich schon geschrieben, wie in Durban die Sonne
untergeht? Da Durban näher am Äquator liegt als Deutschland, geht es ziemlich
schnell. In einer halben Stunde ist es stockfinstere Nacht. Um diese Zeit komme
ich meistens vom Indischen Markt. Wenn ich dann aus dem Häusernetz heraustrat
und in die Parkanlage der City-Hall kam, ging das fidele Zwitschern in den
Baumkronen los. Akustisch fühlte ich mich plötzlich in den tiefsten Urwald
versetzt, so ein Palaver machten die Vögel in den Bäumen, dass ich meinte
hundert Vögel seien in einem Baum. Sehen konnte ich keinen. Dazu kam die
eigenartige Stimmung des endenden Tages, der Beginn der Nacht. Da fällt mir immer
ein, was ich einmal gelesen habe: „Das Schwert der Nacht zerschneidet die
letzten Halte-Taue des Tages“. Es ist tatsächlich so, als wollten die Vögel mit
ihrem fast zum Geschrei anschwellenden Palaver die Nacht aufhalten oder
vertrieben.
Ich habe die Zulus auch gesehen wie sie sich geben, wenn
sie unter sich sind, ohne europäische, gesellschaftliche Uniform. Ich weiß
nicht, ob Du den Satz: „Die Welt ist klein geworden und der Glanz der fremden
Sorten an Kunst und schönen Dingen wird zum Schimmer für immer“ kennst. Ich
habe den Schimmer aufpoliert, es wurde noch ein ganz ordentlicher Glanz. Ich
glaube ich habe sehen und verstehen gelernt. Das bedeutet nicht nur mit den
Augen sehen, sondern mit der Seele. Anders ausgedrückt, das Selbstverständliche
ist oft eine kleine Schönheit, die nicht mehr beachtet wird, bloß weil sie
keine Seltenheit ist. Ich habe gelernt, sie wieder zu beachten. Das macht das
Leben reicher. Ich dachte etwas anderes zu lernen, aber ich glaube ich habe
etwas viel besseres gelernt. Wenn ich eine Tasse Tee trinke ist das nicht nur
Durstlöschen sondern mehr. Der Geschmack regt mich dazu an, an Indien zu
denken, das bitter Würzige ist ein Genuss. Oder Reisbrei mit Pflaumen kann mich
in Gedanken ganz nach Japan versetzen, wenn der dunkelrote Saft sich mit der
Milch zu einem Kardinalrot mischt, kommt einfach Ruhe über mich. Der Stein der
Pflaume ist eine wunderbare Abwechslung gegen das gleichmäßige Jeden-Tag-Essen.
Nicht nur das Essen, auch das Einkaufen auf dem Indischen
Markt war irgendwie etwas besonderes, vor allem bei dem Gewürzstand, wo ich
Anis oder Zimt zerkaute, um festzustellen was es war oder an einem Löffel mit
Curry roch, ob und wieviel ich wollte. Das Einkaufen einer indischen
Götterfigur, indischem Weihrauch und dem dazugehörigen Gefäß ist spannend, das
Herausfinden wie es gebraucht wird genauso schön. Ich bin einfach in einer
anderen Welt. Wie schon einmal erwähnt, ich habe Indien im allerletzten Augenblick
in Afrika noch kennengelernt, es sind ja viele, sehr viele Inder in Afrika.
Nun will ich noch schreiben was sonst noch alles war.
Im Tal der Tausend Hügel besuchte ich ein Zulureservat.
Dort herrscht Polygamie. Ein Mann hatte zwei Kinder und sechs Frauen. Für die
Touristen wurden lächerliche Tänze aufgeführt.
Es ist schon wieder 1 Uhr 10, Zeit, so dass ich jetzt
schlafen gehe. Gestern Vormittag war ich beim Zahnarzt und habe mir vier Löcher
stopfen lassen. Das ist in groben Zügen wieder einmal alles. In Durban, wo wir
über eine Woche waren, habe ich von niemandem von Zuhause etwas gehört. Ich
lerne Geduld üben. Leider haben wir einen sehr ausgeprägten Zeitsinn, so dass
man wartet. Die Zulu sind anders, wenn sie 400 Meter von ihrer Hütte entfernt
sind und es dunkel wird, gehen sie nicht nach Hause, zu einer ihrer Frauen,
nein sie machen ein Feuer und schlafen wo sie sind und gehen am
Walvis Bai, den
8.8.66
Langsam kapsle ich mich wieder ab. Es sind doch fast nur
Blutjunge hier und sie benehmen sich wie die Kinder. Ich meinte, dass Seeleute,
die um die halbe Welt gekommen sind, etwas weltoffener sind, aber nein. Sagt
doch einer zu mir: „Auf der Insel Föhr, wo ich zu Hause bin, kannst Du das
nicht machen“. Als ob die Insel Föhr das Maß für die Welt wäre.
Was
war geschehen? Das Ganze reicht zurück nach Kapstadt bei der Hinreise. Es war
nachts kurz vor 24 Uhr, kurz vor dem Ende meiner Wache, da kommt meine Ablösung
in die Maschine und sagt: “Du ich habe da eine ganz tolle Frau kennengelernt
und möchte noch bei ihr bleiben, würdest Du meine Wache gehen, ich gehe dann
für Dich einmal?“ Ich sagte zu und er verbrachte die Nacht mit seiner tollen
Frau. Auf der Rückreise kam der Funker zu mir und sagte, dass er in ein
Wildreservat fliege, ob ich mit wolle? Der Ausflug dauerte 1½ Tage. Das ginge
zeitlich, wenn der eine die Wache geht, die ich für ihn in Kapstadt gegangen
bin und wenn der andere Assi auch mit mir Wache tauschen würde. Ich sagte dem
ersten Bescheid, er war einverstanden sein Versprechen einzulösen. Nun fragte
ich den Assi von der Insel Föhr, ob er mit mir Wache tauschen würde. Er sagte
zu und ging Wache. Jetzt flog ein Pilot in einer viersitzigen Cesna den Funker
und mich in das Wildreservat. Im Reservat fuhren wir mit einem VW-Bus herum.
Abends übernachteten wir in einem Landhaus im Reservat. Unter anderem gab es
zum Abendbrot eine ausgehöhlte Ananas mit Fleischfüllung. Am nächsten Morgen
flogen wir mit der Cesna zum St.-Lucian-See. Das war ein Vogelparadies mit
Wasservögeln wie Flamingo und Pelikanen. Wir fuhren mit dem Boot auf dem See
umher. Mittags brachte der Flieger uns wieder zurück nach Durban und vom
Flughafen ging es mit dem Taxi zum Schiff.
Der
Assi hat sich einfach geärgert, dass er diese Reise schon zum zweiten Mal
gemacht hat und ich ihm mit diesem Ausflug zuvorgekommen war.
Auf See, den 16.8.66
Bei uns geht jetzt das Zuturnen schon los. Nachmittags
mache ich zusammen mit einem anderen Assi etwa zwei Stunden lang Mathematik.
Dabei kommt für mich mathematisch nichts dabei heraus, aber ich habe jemanden
mit dem ich ab und zu reden kann. Er ist auch schon älter und will jetzt zur
Schule um sein Ing.-Patent zu machen. Ja das Zuturnen ist eine feine Sache, wie
beim Kommiss, man kann nichts dagegen sagen, aber nötig wäre es nicht. Es ist
reine Machtdemonstration. Ich gehe damit auf meine Art um. Eigentlich sollte
ich von 13-15 Uhr zuturnen. Ich gehe um halb drei Uhr los, ziehe mich um und
putze ein bisschen Messing. Der Rest wird sowieso nicht sauberer. Ich tue, als
ob ich geputzt habe. Er hat es heute auch nicht bemerkt. Gestern sagte er noch:
„Das ist schmutzig“, heute sagt er nichts dazu, obwohl ich nicht gefummelt
habe.
Sonst gibt es nichts Neues, vielleicht noch, dass ich in
der Annahme einen Saft vor mir zu haben, Seifenwasser getrunken habe. Es sah so
aus und wurde mir auch als solcher empfohlen. Wir sind wieder am Äquator.
Anscheinend beginnen jetzt wieder die kleinen Scherze. Eigentlich wollte ich
mich heute noch etwas sonnen, aber die Sonne will sich gar nicht sehen lassen.
In wenigen Tagen werden wir in Las Palmas sein, und dann noch vier Tage, dann
sind wir in Rotterdam. Antwerpen werden wir endgültig nicht anlaufen.
In Durban, bei der indischen Mami gab es keine
Elektrizität, sie hatte noch eine Öllampe. Da merke ich erst was ich alles
habe. Trotz Rassentrennung, unter die auch die Japaner und Inder fallen, war es
dort so gemütlich wie nirgends in Afrika.
Nun muss ich auf Wache, ich muss mit dem Schreiben
schließen.
Auf See, den 17.8.66
Heute Mittag war ich auf der Kommandobrücke und habe auf
das Meer gesehen. Der Himmel war ziemlich bedeckt, nur in der Ferne, fast am
Horizont war das Meer beleuchtet und ich dachte, so ist der Bodensee – genau
gleich.
Wir haben alles, aber sehen es nicht. Wir sollten das, was
wir haben, nicht immer geringer und das andere höher schätzen.
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Abgemustert in Rotterdam am 27.8.66.
Mit
der immer wieder auftauchenden Frage nach der Richtigkeit der Naturvölker,
einmal (1960) Hito-hito-Menschen ein andermal (1966) Wilde, Indios oder Zulu
genannt, setze ich mich (2002) in meinem Buch „Gespräche mit Lucy, Band 1:
Trinität“ auf Seite 31 und folgenden Seiten theoretisch auseinander und (2005)
in Thailand und Sri Lanka mehr oder weniger praktisch.
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